Von Namibia bis Südafrika
lachen kann, laut und herzlich, und machte sich auf den Weg zurück. Rennend, mit mir im Schlepptau.
Am nächsten Morgen brachen wir zur Jagd auf. Petrus hatte ein paar Freunde zusammengetrommelt, und jeder von ihnen hatte einen Hund mitgebracht. Das war früher tabu, aber mittlerweile sind Hunde den Khoi San ebenso treue Jagdbegleiter wie dem westlichen Jäger. Ich bin kein großer Freund der Jagd, denn dabei habe ich zu oft Leute getroffen, die zu großen Helden werden, wenn es gilt, mit dem Präzisionsgewehr einen auf sie zu getriebenen Hirschbock abzuschießen. Natürlich kenne ich auch vernünftige Jäger, welche die Jagd sehen wie die Khoi San: als archaischen Vorgang, der dem Menschen das Überleben sichert. Bei diesen Jägern wird kein „Halali“ geblasen und macht kein Schnaps die Runde.
Wir zogen los. Die wichtigste Aufgabe war, ein jagbares Tier zu erspähen. Die Sonne brannte herab und nachdem ich den zehnten Hügel hochgeklettert und wieder hinuntergelaufen war, wurde mir klar, dass wir heute wohl kein Glück hatten. Aber die Khoi San gaben nicht auf. Immer weiter ging die Hatz und erst, als ich schon Sternchen sah und im Mund eine alte Schuhsohle an Stelle der Zunge trug, gab Petrus das Zeichen zum Abbruch.
„Bist du enttäuscht?“, fragte ich ihn, nachdem ich wieder Atem zum Sprechen geschöpft hatte.
„Nein“, sagte er. „So ist es meistens.“
Unter gewöhnlichen Umständen ist bei den Khoi San jeder zehnte bis fünfzehnte Jagdversuch erfolgreich. Das ist keine gute Quote, wenn man den dafür nötigen Aufwand kennt. Mittlerweile befindet sich ihr Stammesgebiet rund um Askam in privatem Besitz und ist umzäunt. Die Tiere können nicht mehr migrieren und wandern in den Kgalagadi Transfrontier Park ab. Dort ist den Khoi San die Jagd unter Androhung harter Strafen verboten, auch wenn das Parkgebiet selbst altes Buschmanns-Land ist.
Trotz des Misserfolgs war es für mich eine Freude gewesen, die Khoi San zu beobachten. Geschmeidig wie Raubkatzen, wieselflink und konditionsstark strebten sie auseinander, kamen wieder zusammen, beratschlagten über die Spuren, die Windrichtung und liefen dann weiter. Diese Männer haben ihre Instinkte seit Urzeiten trainiert, und auch wenn es heute nicht geklappt hatte: Auf der ganzen Welt wird man keine versierteren Jäger finden. Am Abend verzehrten wir die letzten Steaks von Horst. Petrus lachte, als wir sie aus der Tiefkühlbox holten. Wir hockten ums Feuer und lauschten den Erzählungen der Khoi San, die die Ereignisse des Tages Revue passieren ließen, sprechend, tanzend, singend und lachend. Ich kam mir zeitlos vor, erlöst aus dem Klammergriff unseres Kalenderdenkens.
Am nächsten Tag holte mich die Wirklichkeit ein. Wir waren unterwegs nach Askam, um unseren Wasservorrat aufzufüllen, als wir ein Geräusch hörten, das keiner von uns hören wollte. Ich brachte den Bus zum Stehen, kroch darunter und sah das Unglück. Die Achse war hinüber. So lernten wir die Reparaturwerkstatt des Dorfes kennen.
Man kann sagen, was man will, aber in afrikanischen Ländern verstehen die Leute noch etwas vom Reparieren. Während wir zuhause in die Werkstatt rollen, ein weißgekleideter Monteur den Wagen an den Computer anstöpselt, weil er gar nicht weiß, wie er den Fehler anders finden soll, schätzt man in Afrika die Vorteile der Handarbeit. Ich liebe Länder, in denen man ein Gerät nicht gleich auf den Müll wirft, wenn es einmal kaputt ist. In Istanbul beispielsweise sollte man unbedingt einen Abstecher in das Viertel Şeksuverbey südlich vom Großen Basar Kapalı Çarşı machen. Bei meinen Besuchen taufte ich es F&F-Viertel, Viertel der Friseure & Fernsehwerkstätten. Von beiden Berufen gibt es Hunderte von Vertretern, immer schön abwechselnd, ein Friseur, eine Fernsehwerkstatt, ein Friseur, eine Fernsehwerkstatt. Während Sie sich die Haare ondulieren lassen, repariert der Mann nebenan ihr kaputtes TV-Gerät und ist sich dabei nicht zu schade, auch der Platine mit dem Lötkolben auf die Pelle zu rücken. Ich halte nichts von unserer Made-for-Müllhalde-Mentalität. Selbst wenn meine Einstellung so altmodisch ist wie Tanztee am Nachmittag und der Krisenverband deutscher Großbanken behauptet, dass es uns nur gut geht, wenn wir kaufen, kaufen, kaufen: Wer etwas reparieren kann, hat bei mir einen Stein im Brett.
In Askam gab es ohnehin nichts zu kaufen, schon gar keine Achse für einen VW-Bus. Da ist man froh, einen gewieften Handwerker zu finden, der die
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