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Von Namibia bis Südafrika

Titel: Von Namibia bis Südafrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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heißesten Regionen unserer Erdkugel Landwirtschaft zu betreiben. Nachdem die weißen Farmer einsahen, dass es in dieser Gegend nichts zu holen gab, wurden schwarze Farmer angesiedelt. Mittlerweile ist dieser Unsinn vorbei und eines der größten, unwirtlichsten, einsamsten und faszinierendsten Gebiete der Welt gehört wieder den Wildpflanzen und Tieren.
    Und es gehört den Khoi San. Seit Abertausenden von Jahren ziehen Buschleute durch diesen Teil der Kalahari. Anders als in Tsumkwe hoffte ich auf Khoi San zu treffen, die einem traditionellen Leben nachgehen. Während in Namibia die Zuneigung des Staates den Buschleuten gegenüber gegen Null tendiert, lässt man ihnen in Südafrika etwas mehr Freiheit. Ich hoffte auch, bei ihnen meine Neugierde über den Hoodia stillen zu können. Dieser stachlige Geselle, der irrtümlicherweise häufig als Kaktus bezeichnet wird, gehört zu den Sukkulenten und soll in der Lage sein, Hunger und Durst zu unterdrücken. Da in westlichen Ländern Fettleibigkeit die zweithäufigste Todesursache ist und mehr als eine Milliarde Menschen weltweit an Übergewicht, Cholesterin und Diabetes leiden, rief Hoodia den amerikanischen Pharmagiganten Pfizer auf den Plan. Dieser beglückt die Menschheit mit dem Potenzmittel Viagra. Nun wollte man mit dem Wissen der Khoi San eine Schlankheitspille auf den Markt bringen – allerdings ohne dafür zu bezahlen. Dieses Mal sprach keiner mehr von Zechprellerei, sondern frank und frei von dreistem Diebstahl, und David nahm den Kampf mit Goliath auf. David war in diesem Fall der südafrikanische Anwalt Roger Chennels, der die Rechte der Khoi San vertrat und in einem langen und harten Ringen den Pharmakonzern in die Knie zwang. In Kapstadt, wo Roger seine Kanzlei hatte, wollte ich mit ihm über die Aufsehen erregenden Ereignisse sprechen. Zuvor aber wollte ich mich mit denen treffen, die noch immer mit Hilfe des Hoodia ihre tagelangen Jagden durchführen: die Buschleute von Askam.
    Wir erreichten den Ort am späten Nachmittag, wobei Ort übertrieben ist, denn Askam bestand aus einer Straße mit zwei Läden und einer Autowerkstatt, der ich zunächst keine Beachtung schenkte. Was sich noch ändern sollte. Die Läden gab es, weil Askam ein guter Ausgangspunkt ist, um in den botsuanischen Teil des Kgalagadi Transfrontier Park zu gelangen. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber ich war enttäuscht, weit und breit keinen Khoi San zu sehen. Aber so ist das nun einmal mit Nomaden. Sie warten nicht unter der nächsten Straßenlaterne, bis es einem Herrn aus dem Schwarzwald einfällt, mal vorbeizuschauen. Bevor Rolf auf die Idee kam, den Ballon startklar zu machen, um die Gegend von oben unter die Lupe zu nehmen, schlug ich vor, dass wir uns auf die Suche nach Petrus Vaalboy machten. Er war der Chairman der Khoi San Association, einer Vereinigung von Buschleuten, die im Laufe des Prozesses gegen Pfizer ins Leben gerufen worden war. Man hatte mir gesagt, wenn einer von ihnen etwas über den Hoodia erzählen könne, dann er.
    Ich war zwölf Jahre alt und spielte Handball in einer Auswahlmannschaft. Um uns auf ein Turnier vorzubereiten, absolvierten wir einen Lehrgang in der Sportschule Steinbach, die damals mehr einer Kaserne glich als einem Ort, an dem Jugendlichen Spaß am Sport vermittelt wird. Unsere Trainer waren berühmte Spieler aus Osteuropa: Simon Schobel, der spätere Bundestrainer, animierte uns dazu, im Wald mit Baumstämmen zu werfen, um die Armmuskeln zu stärken. Ein anderer Trainer, Vladimir Costache, war mit der rumänischen Nationalmannschaft Weltmeister geworden, bevor er in den Westen rübermachte. Seinen sozialistischen Kasernenhofton konnte er nie ablegen, und er blieb mir in Erinnerung, weil er unter der Dusche seine Zigaretten in der Elfenbeinspitze rauchte und dabei stilecht ein Gläschen Kirschwasser in der anderen Hand hielt. Offenbar hatte er nach dem Drill des kommunistischen Kadersports eine Menge Savoir-vivre nachzuholen. Statt Spielkultur bolzten wir Kraft und Kondition und nach drei Tagen konnten wir vor lauter Muskelkater Treppen nur noch rückwärts hinuntergehen. Zu Beginn des Lehrgangs ließ uns Costache antreten, musterte alle von oben bis unten und sagte zu jedem: „Du bist zu fett!“ Verglichen mit seinem postkommunistischen Hungerbauch hatte er Recht. Damals hielt fröhlichen Einzug, was heute noch Männlein wie Weiblein in die Fitnessstudios rennen lässt: die Sucht nach dem perfekten Körper. Wer keinen Waschbrettbauch

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