Von Namibia bis Südafrika
in der Nähe von Severn Südafrikas erster Musterbetrieb entstehen. Ein schwarzer Angestellter erhielt vom weißen Eigentümer Land, auf dem er durch den Anbau der Heilpflanze Teufelskralle sich und seiner Familie ein Auskommen schaffen konnte. Das interessierte mich. Wieder ging die stundenlange Fahrt durch eine endlose Halbwüstenlandschaft, an deren Farbenspiel ich mich nicht satt sehen konnte.
Am späten Nachmittag erreichten wir das Städtchen Hotazel, in der die Teerstraße Richtung Norden endet. Von hier ging es nur noch auf Schotterpisten weiter. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichten wir die Farm Avontuur. Sie gehört Peter Fontein, einem Nachfahren der Voortrekker, die auf der Flucht vor den Engländern zwischen 1835 und 1841 die Gegend besiedelten. In dieser halbwüstenartigen Region regnet es selten mehr als 290 mm pro Quadratmeter im Jahr, und Grundwasser findet man erst ab 200 Meter Tiefe. Kein Wunder, dass an diesem Ort nicht viel wachsen kann, außer einer Wüstenpflanze wie die Teufelskralle. Peter Fontein ist einer der größten Teufelskrallen- Farmer Südafrikas. Während wir auf der Terrasse seines großzügigen Farmhauses saßen und an einem wunderbaren Weißwein aus der Region um Paarl nippten, fragte ich ihn, wie es dazu gekommen ist.
„Mein Vater war schon hier“, sagte er, „mein Großvater und dessen Vater und Großvater. Sie haben Rinder gezüchtet und alles nur denkbar Mögliche angebaut. Funktioniert hat's nie. Zu wenig Niederschlag. Deshalb habe ich nach einem neuen Weg gesucht, um wenig Regen in viel Geld zu verwandeln.“
Dabei kam ihm die steigende Nachfrage nach der Teufelskralle wie gerufen. Ganz Mann der Tat pflanzte Peter auf 120 Hektar 200 000 Pflanzen, die er in der Wildnis ausgegraben hatte. Erst dann wurde ihm klar, dass er nur alle vier Jahre ernten konnte. Was folgte, sagte er, war ein gravierendes Finanzproblem. „Mein Geld steckte in den Pflanzen und die Pflanzen steckten im Boden. Ich saß vor dem Kalender und zählte die Tage bis zur Ernte.“
Als es soweit war, trug lediglich die Hälfte der Teufelskrallen Knollen. Also pflanzte Peter neue und wartete wieder vier Jahre. In der Zwischenzeit lernte er dazu und entwickelte eine Technik, die er „Strip- Technique“ nannte. Sie schreibt den Anbau der Teufelskralle auf drei Meter breiten Streifen vor. Damit schafft man ein doppeltes Wasserangebot für die Pflanzen und sorgt dafür, dass sie mehr Licht erhalten. Bei der zweiten Ernte trugen 90 Prozent seiner Teufelskrallen Knollen mit bis zu vier Kilogramm pro Pflanze. Das ist eine ganze Menge, wenn man weiß, dass die Khoi San bei wild wachsenden Teufelskrallen gerade mal auf 45 Gramm Knollen pro Pflanze kommen.
„Dann sind Sie zufrieden?“, fragte ich.
„Kann man mit einer Farm in der Wüste nie sein“, antwortete Peter. „Bei uns zählt nur der nächste Regen.“
Am Morgen fuhren wir auf die Nachbarfarm. Simon Craill war ebenfalls ein Nachfahre der Voortrekker. Er sah auch so aus, wie ich mir einen Bilderbuchburen vorstellte: makelloses weißes Hemd, braune kurze Hosen, Strümpfe bis an die Knie und ein Kamm, der in einem der Strümpfe steckte. Vor ein paar Monaten hatte er Per Mohemo, einem seiner schwarzen Angestellten, einen kleinen Teil seiner Farm abgetreten. Nicht ganz freiwillig, wie er mir erklärte, sondern auf Druck der südafrikanischen Regierung. Detlef Haberer wiederum unterstützte Per Mohemo mit Teufelskrallen-Setzlingen und vielen Anbautipps. Pers neues Heim lag in einer Senke auf knochentrockenem Boden. Dort stand ein einfaches Haus mit einem Solarkocher vor der Tür. Zur offiziellen Landübergabe am heutigen Tag fand sich jede Menge Volk ein. Ich lernte drei Bankiers der örtlichen Genossenschaftsbank kennen (weiß), ein paar Manager der umliegenden Zinkminen (weiß), ein halbes Dutzend Farmer der näheren Umgebung (weiß), die alle nicht gerade begeistert auf ihren neuen Nachbarn blickten. Die einzigen Schwarzen waren Pers Familie, die sich unter der weißen Invasion sichtlich unwohl fühlten. Alle stapften durch ihr Haus, glotzten in die Zimmer und ich hatte das Gefühl, einer schlechten Inszenierung beizuwohnen. Die Bankiers schwangen Volksreden, in denen sie die Wichtigkeit der Landreform betonten – vorausgesetzt, man übertreibt es nicht mit ihr. Anschließend kam einer der Manager der Zinkminen an die Reihe. Er sprach davon, dass sie in 40 Jahren schließen müssten. Was das mit Per zu tun hatte, erschloss sich mir nicht.
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