Von Namibia bis Südafrika
Dieser saß abseits auf der Erde und knetete die Hände. Als man ihn aufforderte, auch etwas zu sagen, sträubte er sich. Dann stotterte er in unverständlichem Englisch, bis Detlef ihm zur Seite sprang und bat, in seiner Sprache zu sprechen. Auf einmal sprudelte es aus Per heraus. Er freute sich über die einmalige Chance.
„Wir warten, bis sich die Leute vom Acker machen“, flüstere ich Rolf zu. „Dann reden wir mal richtig mit ihm.“
Es sollte noch geschlagene drei Stunden dauern, bis wir unter uns waren. Ich begleitete Per aufs Feld und sah zu, wie er in mühevoller Kleinarbeit die Samenschalen der Teufelskralle knackte. In ihnen steckt ein chemischer Hemmstoff, der die Keimung verhindert. Nur wenn man die winzigen Schalen aufbricht, kann sie stattfinden. In dieses Geheimnis hatte ihn Detlef eingewiesen. Auch hatte er Per beigebracht, in welchem Abstand er die Samen einpflanzen musste, wie viel Erde über ihnen zu häufen war und wie viel Wasser sie brauchten.
„Leute wie Per“, sagte Detlef später am Abend, „haben nie gelernt, selbstständig zu arbeiten. Ich bin gespannt, ob er es schafft, sich selbst zu motivieren.“ Wie ich fand, sah es ganz danach aus. Ich war guter Dinge, als wir Per zum Abschied die Hand schüttelten. Immerhin sollte ihn die Teufelskralle in seiner Vorreiterrolle als selbstständiger schwarzer Farmer in eine viel versprechende Zukunft führen. Ein paar Monate später erfuhr ich vom Scheitern des Experiments. Von einem Tag auf den anderen verschwand Per von der Bildfläche. Zurück blieben seine Frau und die drei Kinder. Bis heute blieb er verschollen. Was wirklich geschah, konnte – oder wollte – mir keiner sagen.
6. Von Kuruman in die Karoo
Wir fuhren die ganze Strecke zurück, über Kuruman, Upington (mit einer dreifachen Hup-Fanfare für Hank!), Kenhardt, bis nach Brandvlei. Diese Stadt liegt mitten in der Karoo, in der im Jahr kaum mehr als 20 Milliliter Regen pro Quadratmeter fällt – der knappe Inhalt eines Schnapsglases. Die Karoo ist eine Steinwüste von berückender Schönheit. Rund um Brandvlei stößt man auf riesige Sandflächen wie die Grootvloer Pan und die Verneuk Pan. Als wir die Wüstenstadt erreichten, hatte ich 15 Stunden Fahrt hinter mir und so kam Brandvleis einziges Hotel gerade recht. In den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts musste es große Zeiten erlebt haben, doch seither hatte sich an der Inneneinrichtung nichts verändert. Lange, düstere Gänge führten tief in seinen Bauch. Ich wanderte an verlassenen Sälen vorbei, die so aussahen, als würde gleich Jack Nicholson mit der Axt in der Hand hereinspazieren. Es war, als sei ich in eine Welt von Stephen King katapultiert worden. Hinter jeder Ecke erwartete ich die toten Zwillinge aus dem Film Shining.
Ganz irdisch dagegen ging es in der Hotelbar zu. Rolf, Bigy und ich waren die einzigen Gäste, aber von nebenan drang lautes Geschrei herüber. Geht es irgendwo zur Sache, muss ich meine Nase hineinstecken. Diese Neugier tut nicht immer gut, worüber der eine oder andere Nasenbeinbruch Zeuge steht. Ich machte mich auf den Weg ins Nachbarzimmer, als mich der Barkeeper am Arm fest hielt. Ich mag es nicht, wenn mich jemand am Arm fest hält und machte ihm das klar. Dann trat ich durch die Tür, und es war, als hätte ich mit diesen wenigen Schritten eine Zeitreise angetreten. Auch das Nebenzimmer war eine Bar. Doch zwischen Gastraum und Theke hatte man ein Eisengitter vom Boden bis zur Decke gezogen und durch dieses reichte der Barmann die Getränke an die Gäste – ausschließlich Schwarze. Als ich eintrat, verstummte das Geschrei und alle starrten mich an. Ich starrte zurück und der Mann hinter der Theke sagte, dass ich mich bitte in die andere Bar begeben solle. Das hier sei der Bereich für die Schwarzen. Ich ging zurück und bestellte ein Bier. Ich hatte gute Lust, das Glas gegen den Spiegel zu werfen, der dafür sorgte, dass keiner vergaß, welche Hautfarbe er hat.
Nach und nach trudelten weitere Gäste ein, natürlich nur Weiße. Offenbar sah man in Brandvlei nur selten Fremde, denn es dauerte nicht lange, bis mir einer den Ellbogen in die Seite stieß.
„Was hat dich in unser gottverdammtes Scheißkaff verschlagen? “, fragte er.
Die Einwohner von Brandvlei hegten nur wenig Sympathie für ihr Heimatstädtchen.
Ich murmelte etwas von „auf der Durchreise“ und dass ich morgen wieder weg sein würde. Dann lenkte ich das Gespräch auf das Rugbyspiel, welches in der Glotze
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