Von Namibia bis Südafrika
letzten Bestände wild wachsender Hoodias zu zeigen. Ähnlich wie in den Gebieten der Khoi San ist die Heilpflanze auch in der Karoo vom Aussterben bedroht.
Als ich Kersten am vereinbarten Platz traf, trug er ein kurzärmliges Hemd und kurze Hosen, und anders bekam ich ihn auch die nächste Zeit nicht zu Gesicht. Selbst, als die Temperatur nachts auf unter 0°C fiel und die Wüste am Morgen mit einer glitzernden Eisschicht überzogen war.
„Ich trage nur einen Monat im Jahr lange Hosen“, sagte er. „Das ist im August, also im tiefsten Winter. Der Rest vom Jahr gehört der kurzen Hose. Komme was wolle.“
Ich mag Leute mit gesunden Prinzipien. Kersten war mir gleich sympathisch.
„Willst du eine künstliche Hoodiapflanzung sehen?“, fragte er. „Es gibt nur wenige, weil diese Sukkulente schwer zu kultivieren ist.“
Klar wollte ich. Rolf, Bigy und ich stiegen in seinen Geländewagen. Eine halbe Stunde später hielten wir vor einer Ansammlung von Gewächshäusern.
„Eigentlich züchten Leute hier Kakteen für den Export“, sagte Kersten. „Eines Tages kamen sie auf die Idee, es mit der Hoodia zu probieren, auch wenn sie kein Kaktus ist. Wie du siehst, haben sie's gut hingekriegt.“
Er hatte Recht. Auf einem Feld in der Größe eines Fußballplatzes wuchs Hoodia, fein säuberlich in Reih und Glied. Zahlreiche Düsen besprühten sie mit Wasser. Die Pflanzen sahen gesünder und kräftiger aus als alle, die ich in der freien Natur zu Gesicht bekommen hatte.
„Ist das nicht zu viel Wasser?“, fragte ich.
„Sie sprühen alle zwei Wochen“, sagte Kersten.
„Gestern war es hier so trocken wie draußen in der Wüste. Trotzdem wächst die Hoodia im Gewächshaus doppelt so schnell. Die hier sind zweieinhalb Jahre alt und so groß wie fünfjährige Pflanzen in der Wildnis.“
„Was ist mit dem P 57?“, fragte ich. „Wächst es auch doppelt so schnell? Ist kultivierte Hoodia doppelt wirksam?“
Kersten lachte und gab keine Antwort. Dafür riet er uns, für die Fahrt ins Herz der Karoo viel Benzin, viel Trinkwasser und viel Sonnenschutzmittel einzupacken. Ich warf einen letzten Blick auf die Hoodia- Kulturen. Feine Wassertröpfchen perlten von ihnen ab, blitzend und blinkend wie Edelsteine.
Wir schlugen einen Weg Richtung Bokkeveldberge ein und erreichten nach ein paar Stunden den Van Rhyn Pass. Dieser ragt so steil aus der Ebene auf, dass die Voortrekker vor knapp 200 Jahren zehn Monate brauchten, um ihn zu überwinden. Am Fuß der Felswand hielt ich an und stieg aus. Der Berg führt senkrecht in die Höhe. Es ist unvorstellbar, wie die Buren schwer beladene Ochsenkarren, kleine Kinder und alte Frauen hoch brachten. Wie ich mussten sie mit offenem Mund dagestanden haben, im Kopf den Gedanken: Leute, das war es wohl. Doch sie spuckten in die Hände, konstruierten Seilwinden und zogen damit Ochsen wie Menschen an Stricken hinauf. Heute führt eine Straße in lang gezogenen Serpentinen bis zum Gipfel, mit halsbrecherisch ausgebauten Kurven. In zehn Minuten ist man oben. Dort steht ein kleines Denkmal für die heroische Leistung der burischen Pioniere, doch die meisten Autofahrer brausen achtlos daran vorbei, froh darüber, von jetzt an 1 000 Kilometer freie Fahrt vor sich zu haben.
Die Bokkeveldberge wirken wie eine Wolkengrenze. Wolken, die vom Atlantik kommend landeinwärts ziehen, regnen hier ab und sorgen für eine üppige Landschaft. Links und rechts der Straße wachsen mannshohe grüne Wedel.
„Was ist das?“, fragte ich Kersten.
Der Wildpflanzensammler lachte. „Rooibos“, sagte er, „eines der gesündesten Getränke der Welt. Willst du sehen, wie man es herstellt?“
Was für ein Glück, mit diesem Mann unterwegs zu sein, dachte ich, während Kersten bereits auf Afrikaans in sein Handy sprach. „Ich kenne einen Hersteller in der Nähe“, sagte er, „da fahren wir vorbei.“ Eine halbe Stunde später bogen wir auf das Gelände der Rooibos-Farm von William Clark ein. Der Chef war ein kräftiger Mann Ende vierzig. Er schüttelte uns die Hand, sagte, dass er sich über unser Kommen freue und wie toll es sei, hier zu leben. Schließlich wachse der Rooibos nirgendwo anders so gut. Er führte uns durch seine Plantage. Rooibos sieht ein wenig aus wie Ginster. Seine nadelförmigen Blätter erhalten erst beim Fermentieren die eigentümlich rote Farbe, die ihm den Namen verleiht: Rooibos auf Afrikaans, Rotbusch auf Deutsch. Der Tee, der eigentlich keiner ist, denn er enthält weder Teein noch
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