Von Namibia bis Südafrika
Koffein und so gut wie keine Gerbstoffe, wirkt beruhigend und bekämpft Schlaflosigkeit, Übelkeit, Verstopfung und Sodbrennen. Mancher Heuschnupfenkranke schwört auf ihn, und selbst bei leichten Asthmaanfällen kann er helfen. William Clark zeigte uns, wie frisch geernteter Rooibos gehäckselt und auf einem großen Platz in langen Streifen aufgehäuft wird. Zwei Tage intensive Sonneneinstrahlung genügen zur Fermentierung. Danach erfolgt die Auslese und das war es auch schon. Genial einfach, wie oft bei wirksamen Heilpflanzen. William Clark servierte uns noch ein Tässchen Tee, dann rief ihn die Pflicht. Und uns die Wüste Karoo.
Kaum saßen wir im Wagen, sagte Kersten: „Vielleicht haben wir Glück. Es gibt eine Pflanze, die dem Rooibos ähnlich sieht. Die Zubereitung ist noch einfacher, doch ihre Heilkraft sprengt alle Vorstellungen. Leider findet man sie sehr selten.“
„Wie heißt diese Wunderpflanze?“, fragte ich.
„In der Sprache der Sotho Lerumo-lamadi“, antwortete Kersten. „Das heißt Blut-Speer. Die Tswana-Heiler nennen sie Phetol – die Pflanze, die dich ändert.“
„Wie sagt der Lateiner?“
„Sutherlandia.“ Kersten wirkte auf einmal nachdenklich. „Ja, Sutherlandia. Irgendwo da draußen wächst sie.“
Die fruchtbare Landschaft der Bokkeveldberge blieb hinter uns zurück und machte einer steinigen Wüstenlandschaft Platz. Wir fuhren weitere 150 Kilometer Richtung Osten, um dann unvermittelt nach Süden abzubiegen. Nie im Leben wäre ich auf diesen Rüttelpfad eingebogen, aber der Mann mit dem grünen Daumen kannte jeden Stein in diesem Landstrich. Die Strecke war eine echte Herausforderung an Mensch und Material, aber da wir ohnehin in einem Unfallwagen saßen, hielten sich meine Sorgen um dessen Wohlergehen in Grenzen. Und meinen Lendenwirbeln konnte dieser Heilpflanzenkenner sicher mit dem einen oder anderen wirksamen Kraut helfen.
Nach ein paar Stunden erreichten wir die Farm Gansfontein. Farm ist zu viel gesagt: In einer Senke duckten sich zwei Steinhäuser. Um sie herum lag viel rostiges Material, welches unter der brutalen Sonne vor sich hin glühte. Kersten bat mich, im Wagen zu bleiben, da er mit dem Besitzer unter vier Augen sprechen wollte.
„Die Leute hier draußen sind ein wenig eigen“, sagte er.
Kersten verschwand im Haus und tauchte nach 20 Minuten wieder auf. Alleine. Wer immer sich dieses Fleckchen Erde als Wohnsitz ausgesucht hatte, dem war nicht nach Gesellschaft zumute.
Über eine steinige Piste erreichten wir ein Tal, überquerten eine sandige Pan und fuhren auf der anderen Seite wieder hinaus. Immer wieder hieß mich Kersten abzubiegen. Nach einer Weile wurde mir klar, dass wir auf diese Art eine lang gestreckte Hügelkette umrundeten. Danach ging es im Zickzack durch ein weites Tal, dann durch ein weiteres, noch eines und noch eines. Endlich sagte Kersten: „Halt! Wir sind da.“
Vor uns lag eine kilometerlange Ebene, die sich flimmernd am Horizont verlor. Sie war mit braunem und schwarzem Geröll übersät. Dazwischen wuchs wilde Hoodia, soweit das Auge reichte.
„Die Farm Gansfontein hat 6 000 Hektar“, sagte Kersten, als wir mit Messer und Eimer bewaffnet losmarschierten. „Darauf wächst genug Hoodia für eine jährliche Ernte von 15 Tonnen. Pass auf, dass du dich nicht schneidest.“
Das war ein Hinweis zur rechten Zeit, denn die Dornen der Sukkulente sind spitz wie Dolche. Als wir eine besonders üppige Pflanze erreichten, schnitt Kersten ein Stück ab und reichte es mir. Wieder probierte ich. Dieses Exemplar schmeckte noch bitterer als das von Petrus Vaalboy.
„Und jetzt geht mein Hunger weg?“, fragte ich.
Kersten lachte. „Darüber lässt sich streiten. Klar, Hoodia kann vielen Leuten helfen. Aber nicht, wenn sie bei ihrer üblichen Ernährung bleiben. Wer Cola trinkt, Hamburger isst und danach Hoodia-Pillen einwirft, wird nicht abnehmen. Man darf nicht vergessen, dass die Khoi San ein anderes Leben führen als wir. Was bei ihnen funktioniert, ist nicht eins zu eins auf die westliche Lebensweise übertragbar.“ „Aber die Nachfrage nach Hoodia-Produkten ist gigantisch “, sagte ich.
„Weil die Werbung verspricht, dass Hoodia Pfunde purzeln lässt und keiner die entscheidenden Fragen stellt: Wie muss ich meine Ernährung ändern, damit mir die Heilpflanze helfen kann? Besitzt diejenige aus dem Gewächshaus die gleichen Eigenschaften wie die wild wachsenden Schwestern? Was passiert mit dem P57-Gehalt einer Pflanze, die
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