Von Namibia bis Südafrika
Afrikas, heute sind es gerade einmal zweitausend. Allein wegen ihres Hornes wurden diese einmaligen Tiere fast ausgerottet. Dem Horn sagt man vor allem in Japan eine aphrodisierende Wirkung nach, und von mir aus soll jedem, der es ausprobiert, ein ausgewachsenes Nashorn auf die Zehen treten. Ob ein Weißes oder ein Schwarzes ist mir dabei völlig egal.
Auf einmal kam Bewegung in das Tier. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit verschwand es im Buschland, und es war, als vibrierte die Erde.
„Wie viel wiegt unser Bus“, fragte Beate.
„Knapp zwei Tonnen.“
„Und das Nashorn?“
„Dasselbe.“
„Es gibt Dinge, die will man gar nicht wissen.“
Wir folgten dem Weg, der immer steiler und enger wurde und auf einmal in gurgelndem Wasser verschwand. Vor uns erstreckte sich der Fluss. Von einer Furt war nichts zu sehen.
„Was jetzt?“, fragte Beate.
Ich stieg aus, watete ins Wasser, marschierte durch den Fluss und wieder zurück.
„Jetzt waschen wir das Auto“, sagte ich. „Ist nämlich dringend nötig.“
Ich gab Gas und der Bus zuckelte folgsam durchs Wasser. Das machte Spaß und ich fing an, das Wort „Urlaub“ zu mögen.
In weiten Schlangenlinien fuhren wir durch die berühmte Garden Route in Richtung Knysna. Dort waren wir mit Rolf und Bigy verabredet, die Freunde – das südafrikanische Fotografen-Ehepaar Julie und Robert Andrew – besuchten. Dieser Teil der Welt wurde von Gott erschaffen, als er richtig gut drauf war, daran gibt es keinen Zweifel. Die Erde ist reich und fruchtbar. Wir fuhren durch Obstplantagen und blühende Wiesen, vorbei an Seenlandschaften und erhaschten dabei immer wieder einen wunderbaren Blick auf den Indischen Ozean. Klar, dass sich hier die weiße Bourgeoisie Südafrikas gerne ein Zuhause geschaffen hat. Wir kamen durch Plettenberg Bay und Oyster Bay, wo alle Villen aussehen wie in ‘Schöner Wohnen’. Da sowohl Buren als auch Engländer begeisterte Gärtner sind, blüht, gedeiht und wächst es überall. Kein Wunder, dass sich der Schriftsteller John Ronald Reuen Tolkien für seinen Roman ‘Der Herr der Ringe’ hier inspirieren ließ: Die Garden Route ist Hobbit-Land.
Der Ort Knysna liegt rund um eine Lagune verstreut, die von zwei hohen Felsen, genannt The Heads, flankiert wird. Die schönsten Häuser befinden sich auf einer kleinen Insel, aber auch auf den angrenzenden Höhen lässt es sich vortrefflich wohnen. Hier lebten die Andrews die Hälfte des Jahres, die restliche Zeit verbrachten sie in Johannesburg. Robert war einer der erfolgreichsten Werbefotografen des Landes, während seine Frau Julie sich auf People-Fotografie spezialisiert hatte. Sie lichtete schwangere Frauen ab und rückte sie dabei in ein so raffiniertes Licht, das die Bilder sinnlich und züchtig zugleich aussahen. Schwangere Frauen, die so etwas wollten, gab es genug, und Julies Auftragsbuch war rappelvoll.
Rolf und Bigy waren schon da. Wir fuhren hinaus zur Knysna Oyster Farm. Knysna ist die Austernhauptstadt Südafrikas und Thesen's Island der richtige Ort, um während einer Verkostung Fotos von George Rex zu betrachten, einem unehelichen Sohn des englischen Königs George III. und einer liebreizenden Handwerkertochter aus dem Städtchen.
Austern haben eine gewisse Auswirkung auf die Libido und deshalb wunderte ich mich nicht, dass Julie ausgerechnet in dieser Gegend ihre schwangeren Models fand. Doch war das nicht der Grund, weshalb sie immer häufiger in Knysna und immer weniger in Johannesburg lebten.
„Jo'burg ist die gefährlichste Stadt der Welt“, sagte Robert. „Es gibt Viertel, in die sich selbst bewaffnete Polizei nicht rein traut. Die Leute vom Krüger National Park bauen ihren eigenen Flughafen, damit die Besucher nicht mehr durch die Stadt müssen.“
„Woran liegt's?“, fragte ich.
„Die Schere ist schuld“, sagte Robert. „Die zwischen Arm und Reich. Die schwarze Bevölkerung ist enttäuscht: Eine Generation nach dem Ende der Apartheid hat sich an der Vermögensverteilung wenig geändert. Ist das bei euch in Deutschland nicht ähnlich? Wie ich höre, gibt es noch immer das Ost-West-Gefälle, und die Ossi-Wessi-Diskussion ist nicht verstummt. Bei uns redet man gar nicht mehr miteinander. Die Leute greifen gleich zur Waffe.“
Das war den Andrews letzte Woche passiert: Als sie von der Arbeit nach Hause kamen, wurden sie im eigenen Haus von einer Gruppe schwarzer Jugendlicher erwartet. Sie mussten sich nackt ausziehen und zusehen, wie ihr Heim ausgeräumt wurde.
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