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Von Namibia bis Südafrika

Titel: Von Namibia bis Südafrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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Beate.
    Normalerweise redet sie nicht mit leiser Stimme. Möglicherweise lag der Grund an dem dicken Rüssel, der neugierig durchs Fenster kam und sich sehr für meine Mütze interessierte.
    „Geht nicht“, flüsterte ich zurück.
    „Gib ihm die Mütze!“
    „Niemals! Oder … vielleicht … warum auch nicht?“ Doch der Elefant hatte bereits sein Interesse verloren. Er und seine Kumpels verschwanden so lautlos, wie sie im Unterholz erschienen waren.
    „Von wegen, Elefanten können sich nicht verstecken“, sagte Beate mit dem Recht einer Frau, der vor kurzem ugandische Gorillas die Haare zersaust hatten. Mein Herz schlug bis zum Hals, aber ich war stolz: Ich hatte meine Mütze gerettet.
    Vor ein paar Jahren war ich in Amerika im Kings Canyon gewesen, einem der spektakulären Naturparks von Nevada. Die Ranger sagten, dass ich niemals, auf keinen Fall, ganz bestimmt nicht alleine wandern sollte, aber irgendwie hatte ich weggehört. Sie sagten auch, wer unterwegs ist, soll Krach machen, ein Bärenglöckchen tragen, mit dem Stock gegen Bäume schlagen, laut singen: Das mögen Bären nicht, und bleiben fern. Leider hatte da ebenfalls weggehört. Es fiel mir alles erst wieder ein, als plötzlich ein ausgewachsener Braunbär vor mir auftauchte. Verdutzt schaute ich ihn an und verdutzt schaute er mich an, und so standen wir eine Weile. Es mögen Minuten gewesen sein, doch mir kamen sie vor wie Stunden. Dann dachte der Bär, an dem ist ja nichts dran –es ist tatsächlich schon einige Jahre her – und trollte sich des Weges.
    Erst der Bär, dann der Elefant. Fehlte noch das Nashorn.
    „Wenn wir welche sehen“, sagte ich, „steige ich aus und lass mir ein Autogramm geben.“
    Beate sah mich an, wie sie mich immer ansieht, wenn sie darüber nachdenkt, weshalb sie ausgerechnet diesen Kerl geheiratet hat.
    „Okay“, sagte sie dann. „Bring mir eines mit.“
    Die nächsten zwei Stunden stießen wir auf eine weitere Elefantenherde, sowie eine Handvoll Löwen, die nicht autogrammfreundlich aussahen. Von den Rhinos war nichts zu sehen. Mittlerweile regnete es, Autos kamen uns schon lange nicht mehr entgegen und überhaupt hatten wir uns völlig verfranzt.
    „Wenn wir auf dieser Straße weiterfahren, kommen wir zum Tor“, sagte ich nach ausgiebigem Kartenstudium.
    „Aber nur, weil du sie verkehrt rum hältst“, antwortete Beate.
    „Hm. Also nicht zum Tor. Ich schlage vor, wir schauen einfach mal, wo wir rauskommen.“
    Das Gute an verlorenen Richtungen ist, dass man Orte findet, die man sonst nie erreicht hätte. Die Straße endete vor einer Schlucht und da weder Elefant noch Nashorn sich in der Nähe befanden, stiegen wir aus. Vor uns ging es mehrere hundert Meter in die Tiefe, in der sich ein breiter Fluss schlängelte. Es war ein atemberaubender Anblick und wir konnten uns kaum satt sehen.
    „Muss wohl der Bushmans River sein“, stellte ich wie ein echter Trapper fest. „Das sind wir aber weit vom Weg abgekommen.“
    Da es bereits dämmerte, entschieden wir, auf einem holprigen Weg weiterzufahren. Der Pfad führte steil bergab und ich hatte Mühe, den Bus auf Kurs zu halten.
    „Da!“, sagte Beate auf einmal. „Halt an!“
    Das musste sie nicht zwei Mal sagen. Vor uns stand ein Nashorn. Bei seinem Anblick wurde mir klar, dass ich noch nie ein Autogrammjäger war und auch keiner werden wollte. Nashörner gehören zu den faszinierendsten Tieren der Welt. Sie geben uns eine wuchtige Vorstellung davon, welche wundersamen Geschöpfe einst die Erde bevölkerten. Man unterscheidet übrigens zwischen Spitzmaulnashörnern, Schwarzes Nashorn genannt, und Breitmaulnashörnern beziehungsweise Weißes Nashorn. Beide Namen sind aufgrund eines Fehlers in der Übersetzung falsch, denn das Afrikaanswort „wyde“ für „breit“ wurde als „white“ für „weiß“ übersetzt. Weil damit die eine Nashornart falsch benannt war, bekam die andere Art konsequenterweise die Bezeichnung „schwarz“. Nashörner sind aber immer grau. Auch das Prachtexemplar vor uns scherte nicht aus der Reihe. Grau und ganz schön gefährlich. Das liegt an ihrem schlechten Sehvermögen, gepaart mit einem hervorragenden Geruch und Hörsinn. Mit ihnen lokalisieren sie Gefahr ohne sie zu sehen. Deshalb greifen sie sofort an. Aber offensichtlich rochen wir nicht gefährlich und hatten daher viel Zeit, dem Koloss beim friedlichen Grünzeugmampfen zu beobachten. Im Jahr 1900 mampften noch eine Million Spitzmaulnashörner auf praktisch allen Savannen

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