Von Namibia bis Südafrika
wollten Urlaub machen?“
„Tun wir ja. Urlaub auf der Heilpflanzenfarm.“
Doch erst einmal übernachteten wir in Grahamstown, einer Universitäts- und Bischofsstadt mit 56 000 Einwohnern. Hier sah es so aus, wie man sich ein gutbürgerliches englisches Städtchen vorstellt: kleine Backsteinhäuser, eine trutzige Kirche und Schulkinder, die in Uniform durch die Straßen marschieren. Diese waren zum Teil so breit wie bei uns die Autobahnen, denn die ersten Siedler hatten den dringenden Wunsch verspürt, ihre achtspännigen Ochsenkarren zu wenden, ohne den Rückwärtsgang einlegen zu müssen. Grahamstown ist einer dieser Orte, in denen man bis heute nicht merkt, dass man sich in Afrika befindet. Erst beim Verlassen der Stadt, und zwar nicht auf der Hauptstraße, sondern auf einer holprigen Nebenstrecke, stößt man auf das übliche Township. Hier hausen ein paar Tausend schwarze und farbige Menschen in windschiefen Baracken. Wieder einmal kam es mir so vor, als ob ein Schild vor der Stadt mit der Aufschrift „Wir müssen draußen bleiben“ noch immer erfolgreich für die Trennung der Rassen sorgte. Grahamstown rühmt sich mit allerhand Aktivitäten, an denen Touristen Gefallen finden: Mountainbiking, Klettern, Wandern, Hochseefischen, Tauchen und sogar eine Schiffswrack-Wanderung. Dieser Teil des Indischen Ozeans gehörte zu den schwierigsten Herausforderungen für die Seefahrer der Ostasienroute. Stürme, unterirdische Felsen und heimtückische Strömungen sorgten für zahllose Havarien, und glaubt man den alten Geschichten, lebten die Einwohner des Küstenstreifens nicht schlecht vom Unglück anderer. Wir frühstückten in einem Café, das auch in Dover, Bournemouth oder Prince-Charleson- Sea stehen könnte. Glücklicherweise wurden die Gäste nicht mit einem britischen Frühstück gequält. Es gab Früchte, frisches Brot, das seinen Namen auch verdiente und hausgemachte Marmelade ohne bittere Orangenschalen drin. Wir hauten kräftig rein. Dann stiegen wir in den Bus und fuhren von Grahamstown zum Addo-Elefant-Park. Dort leben jede Menge Elefanten, eine Handvoll Nashörner und ein paar Löwen. Als wir den Park erreichten, zogen dunkle Wolken auf und lautes Donnergrollen kündigte ein Gewitter an. Am Eingang bezahlten wir unseren Obulus, nahmen eine Wegkarte in Empfang und versprachen hoch und heilig, das Auto nicht zu verlassen, sollten wir von einer Elefantenherde eingekreist werden. Das riesige Gebiet des Parks ist von schma len Sträßchen durchzogen und nach einer Stunde Fahrt wurde mir klar, dass nur die wenigsten auf der Karte eingezeichnet waren. Elefanten sahen wir keine, von Nashörnern und Löwen ganz zu schweigen. Ab und an kamen wir an einer Haltebucht vorbei, in der einige Autos parkten, weil man hier einen besonders schönen Rundblick auf eine der Wasserstellen hatte, von denen es hieß, dass man an ihnen immer Elefanten sehen könnte. Wir gesellten uns zu den Besuchern, glotzten nach vorne, nach hinten, nach links und nach rechts. Wir sahen viel Grün, viel Gebüsch, viele Bäume und sonst nichts.
„Hier gibt's keine Elefanten“, sagte ich, als wir weiterfuhren. „Die sind ausgewandert.“
„Erinnerst du dich an den Parc des Loups du Gévaudan?“, fragte Beate.
An den erinnerte ich mich gerne. Der Park liegt in der Nähe des Städtchens Florac in den südfranzösischen Cevennen. Dort gibt es eines der letzten Refugien für Wölfe in Westeuropa, mitfinanziert von Brigitte Bardot. Da ich mich zu Wölfen hingezogen fühle, fuhren wir hin, schauten uns um – und entdeckten nicht einen der über 200 Wölfe. Bis uns Wildhüter Michel Le Brac unter seine Fittiche nahm– und auf einmal sahen wir sie hinter jedem Baum und jedem Busch. Sehen, was wir nicht gewohnt sind zu sehen, müssen wir manchmal erst wieder lernen.
„Elefanten sind groß“, sagte ich. „Die können sich nicht einfach verstecken!“
Kaum ausgesprochen, trat ein Elefant aus dem Unterholz. Nach ihm ein zweiter, ein dritter und ein vierter. Ihnen folgten einige Elefantenkinder und dann kam noch eine Gruppe erwachsener Elefanten. Sie bewegten sich elegant und geschmeidig, was angesichts ihres Umfangs ein Wunder ist. Die Elefantenkids waren gut drauf. Sie kämpften und wälzten sich im Staub, während sich die großen Tiere um unseren Bus scharten. Jetzt wurde mir klar, was der Mann am Eingang mit „unbedingt im Wagen bleiben“ gemeint hatte.
„Vielleicht solltest du das Fenster hochkurbeln“, flüsterte
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