Von Namibia bis Südafrika
allerdings lange Zeit auf sich warten, denn die meisten Pflanzen, die Uli kultiviert, waren niemals zuvor angepflanzt worden.
„Ich habe reichlich Lehrgeld bezahlt“, erzählte er mir, während wir über die ausgedehnten Ländereien spazierten. „Am Anfang fehlte es uns an Erfahrung. Wir verfügten weder über ausgebildete Leute, noch Setzlinge oder Pflanzen.“
Das Einzige, was Uli hatte, war eine Vision. Diese ließ den gelernten Gärtner um die ganze Welt reisen, immer auf der Suche nach altem Wissen und neuen Technologien. Eine Kombination, die am Ende einen deutschen Heilmittelhersteller überzeugte. Er gab Uli den Auftrag, in Südafrika die Kultivierung von Heilpflanzen voranzutreiben. Mittlerweile liefert Parceval eine Vielzahl von Heilpflanzen und Heilpflanzenkombinate in alle Welt. Angebaut werden sie in Wellington, aber auch auf kleinen Farmen und in Gärten der verschiedensten Volksgruppen Südafrikas.
„Ich habe von Anfang an die Stammesgruppen und ihre traditionellen Heiler in die Arbeit integriert“, erzählte Uli. „Zunächst gingen wir in die Transkei, dem ärmsten Landstrich weit und breit. Das war schwierig, aber mittlerweile läuft's ganz gut.“
„Würde ich mir gerne ansehen. Geht das?“
Uli grinste. „Wenn du keine Probleme mit den Ohren hast.“
Ich hatte keine Ahnung, was er damit meinte. Aber ich sollte es herausfinden.
In der Weinbauregion um Paarl wimmelt es von Hotels, Pensionen und Gasthäusern. Uli empfahl uns das Resort Augusta, weil es in der Nähe der Farm lag und wie er sagte, kinderleicht zu finden war. Nun waren wir ja für unsere Orientierungskunst berühmt, und wie gesagt, das Gute am sich Verirren ist, dass man Orte entdeckt, die man ansonsten niemals gefunden hätte. So wüsste ich bis heute nicht, dass Augusta mit seinen herrlichen Designerbungalows inmitten einer üppigen Gartenanlage, mit seinem First-Class-Restaurant und dem Swimmingpool mit Gegenstromanlage direkt an ein Township grenzt. Dorthin geriet nur, wer nicht die übliche Zufahrtsstraße nutzte, sondern quasi den Hintereingang von Augusta. Genau das taten wir. Später traf ich auf Gäste, die seit drei Wochen im Resort wohnten und keine Ahnung hatten, welches Elend sich ein paar hundert Meter hinter dem Park mit seinen uralten Bäumen abspielte. Ich dachte an die Schere zwischen Arm und Reich und sah von dem Moment an die schwer bewaffneten Sicherheitsleute am Eingang mit ganz anderen Augen.
Am nächsten Tag fuhren wir früh auf Ulis Farm, um die Ernte der Pelargonie mitzuerleben. Die Kapland- Pelargonie war, was Uli seine „Cash-Cow“ nennt. An dieser Heilpflanze verdiente die Farm, denn die Nachfrage in Deutschland war immens. Grund dafür ist das Bronchialmittel Umckaloabo, das sich nach meiner nicht repräsentativen Umfrage unter den Apothekern meiner Nachbarschaft verkauft wie „geschnittenes Brot.“
Zu unserer Runde stieß Dr. Werner Bender vom deutschen Umckaloabo-Hersteller. Er war nach Paarl gereist, um die Ernte zu überwachen. Von der Vielzahl pflanzlicher Heilmittel, die sich legal und illegal auf dem Markt tummeln, gehört Umckaloabo zu den wenigen, die wissenschaftlich auf Herz und Nieren überprüft wurden.
Ein paar Traktoren mit Anhängern standen bereit, und Ulis Vorarbeiter Robbie, ein Südafrikaner, der so aussah wie Old Shatterhand, stellte die Arbeitsgruppen zusammen. Die Sache musste flott über die Bühne gehen, weil zwischen Ernte und Verarbeitung nur wenig Zeit verstreichen darf. Ich fragte Werner, wie er zu den Heilpflanzen gekommen war.
„Ich arbeitete damals im Krankenhaus“, sagte er.
„Dort stellten wir immer häufiger fest, dass wir mit unseren Behandlungsstrategien mit synthetischen Medikamenten in eine Sackgasse geraten waren. Ein typisches Beispiel sind Antibiotika. Die verwenden wir zu häufig – selbst dann, wenn es gar nicht nötig ist. Mit dem Effekt, dass mittlerweile viele Bakterien gegen Antibiotika resistent sind. Kommt es dann zu Erkrankungen, zum Beispiel zu lebensgefährlichen Infektionen, wirken die Antibiotika nicht mehr.“
Werner sprach über Dinge, die man Patienten lieber verschweigt. „Sieht man sich das Patientenspektrum einer Arztpraxis an“, fuhr er fort, „sind 40 Prozent der Beschwerden mit dem schulmedizinischen Wissen diagnostizierbar. Weitere 30 Prozent gehören zum Bereich der funktionellen Störungen. Das heißt, mit seinen Untersuchungsmethoden kann der Arzt nichts finden. Er weiß aber, dass sein Patient krank ist.
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