Von Namibia bis Südafrika
wird sie dir wenig Freude bereiten, wobei man in der Botanik niemals nie sagen soll. In der Transkei bauen wir Perlagonien mittlerweile an Orten an, die auf den ersten Blick auch ungeeignet schienen.“
„Warum dauerte es acht Jahre, sie zu kultivieren?“, fragte ich.
„Das Seltsame war, “, antwortete Uli. „alles, was Geranien sonst tun oder benötigen, war bei der Perlagonie anders. Nur wenige Samen gingen auf, und so dauerte es vom Steckling bis zur Ernte über drei Jahre.“
Er führte mich in die Halle, in der die Perlagonie weiterverarbeitet wurde. In Deutschland kommt sie als Tinktur in den Handel. Ein wenig erinnerte mich dieser Arbeitsprozess an eine Hexenküche. Überall standen riesige Kessel, dazwischen wurde mit Tiegeln und Glasflaschen hantiert. Die Arbeiter trugen Laborkleidung und einen Mundschutz, der das halbe Gesicht bedeckte. Dieser Aufzug blühte auch mir und nachdem ich mich hineingezwängt hatte, war es an der Zeit, die Frage aller Fragen zu stellen.
„Wenn wir schon mal das Reich von Dr. Faust betreten“, sagte ich. „Könnt ihr Gold herstellen?“
„Du meinst Alchemie?“, lachte Uli. „Die praktizieren wir schon lange: Denn für die Menschen sollten Heilpflanzen wertvoller als Gold sein. Mit ihnen lassen sich Krankheiten behandeln, die von chemisch hergestellten Medikamenten nicht geheilt werden können.“
Für mich war der Chemieunterricht nie ein Hort reiner Freude gewesen, außer in den Momenten, in denen Chemielehrer Lahm zur Ausführung eines Experiments schritt. Dann ließ er ein Schutzschild aus der Decke fahren, hantierte mit Erlenmeyerkolben und Bunsenbrenner, kniete vor der Tafel mit dem Periodensystem der Elemente nieder, um sich zu bekreuzigen, setzte sein Testament auf und hieß uns unter Tischen Schutz suchen. Danach passierte immer – nichts. Ich kann mich an keinen Versuch erinnern, der nicht in die Hose ging und einen ratlosen Lehrer und noch ratlosere Schüler zurückließ. Wir alle gewannen den Eindruck, Chemie ist, wenn es bestimmt nicht klappt. Auch Uli hantierte mit Erlenmeyerkolben und Bunsenbrenner.
„Was wird das?“, fragte ich und überlegte, aus reiner Gewohnheit Schutz unterm Tisch zu suchen.
„Wo es Krankheiten gibt, da wächst Arznei“, antwortete Uli. „Das schrieb Paracelsus vor 500 Jahren. 2 000 Jahre davor nutzte Hippokrates heilende Pflanzen als Basis einer wissenschaftlichen Medizin. Doch beide wussten, dass jede Heilpflanze auch eine Giftpflanze sein kann. Falsch dosiert oder in verunreinigter Form macht sie krank oder tötet. Was ich hier mache, fällt unter die Rubrik ›Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser‹.“
Das interessierte mich. Qualitätskontrolle ist für jeden anständigen Bürger der Stadt Stuttgart ein Reizwort. Schließlich hat man hier nicht nur die Kehrwoche erfunden, sondern auch die alte Dame, die in keinem schwäbischen Mietshaus fehlen darf. Sie fährt mit dem Finger über die Bürgersteigkante, um danach Sturm zu klingeln und loszukläffen:
„Nennet Sie des sauber, Herr Bachmann? Also ich net! Ich nenn des an Saustall!“
Dabei schwingt sie bedrohlich Besen und Putzfeudel und droht, in einer Stunde wieder zu kommen.
Die alte Dame kann auch ein alter Herr sein, der sein Berufsleben bereits hinter sich hat, und vor lauter Langeweile die Mülltonnen der Mitbewohner untersucht. Bevor meine Frau unter meinem Dach Zuflucht fand, lebte sie in so einem Haus, in dem Herr Kernberger diesen Job ausübte. Eines Tages fand sie den Inhalt ihres Mülleimers im Briefkasten wieder, zusammen mit einer Liste von Gegenständen, die nach der Meinung dieses Blockwarts der Mülltrennung nicht in den Abfall gehörten.
„Glaub mir“, sagte meine Frau später, „deine Einstellung zum Mitmenschen ändert sich, wenn du einem verstockten Rentner klar machen musst, dass Damenbinden nicht ins Klo gespült werden dürfen.“
Ich tat das einzige, was man in dieser Situation tun kann, und gewährte ihr Asyl, ohne die alte Dame in meinem Haus zu erwähnen.
Die Tage vergingen und die Perlagonienernte schritt zügig voran. Der Weg vom wilden Wüstengewächs zur kultivierten Pflanze ist steinig und der Weg von der kultivierten Pflanze zur Tinktur mühsam – aber das alles ist noch gar nichts im Vergleich zu dem Weg, den die Tinktur zurücklegen muss, um in Deutschland als Arznei anerkannt zu werden. Dabei geht es um die Sicherheit der Patienten, aber vor allem geht es um Macht, Einfluss und Geld. Um viel Macht, viel Einfluss und
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