Von Natur aus kreativ
abwandern. Deswegen müssen wir zwangsläufig alle unsere Medienmarken auf den relevanten digitalen Kanälen abbilden. Daraus entstehen neue Chancen, die wir in Kooperation mit unseren Lesern und Werbekunden erkennen und nutzen müssen.
Wagner: Dabei findet auch wieder ein Austausch zwischen dem eigenen Wissen und dem der anderen statt?
von Heimburg: Wir sind bescheiden geworden und behaupten nicht, dass wir mehr wissen als unsere Kunden. Gemeinsame Kreativität entsteht in Workshops mit Lesern, Werbekunden und den Machern einer Zeitschrift wie etwa der Zeitschrift Computerwoche. Nach dem Syntegrationskonzept von Malik nimmt dabei jeder Teilnehmer verschiedene Rollen ein. Daneben verknüpfen wir unsere Medienmarken immer stärker mit sozialen Netzwerken. Das alles hilft uns dabei, neue Gedanken zutage zu fördern.
W agner: Kreativität verstehen wir so, dass etwas Neues entsteht, weil wir etwas Altes hinter uns lassen. Lassen Sie das alte Zeitschriftenkonzept hinter sich?
von Heimburg: Die schöpferische Zerstörung ist wichtig, darauf hat schon Joseph Schumpeter hingewiesen. Entweder entsteht Kreativität aus einer Not, die dann so groß ist, dass man sich bewegen und auch etwas zerstören muss. Die Kreativität bei Künstlern entsteht extrem oft aus Leid. Wer als Jugendlicher Liebeskummer hatte, fing an, einen Brief zu schreiben. Oder man kann den Prozess des Verlustes, der Zerstörung, des Leids auch künstlich herbeiführen, wenn eine bestimmte Entwicklung vorhersehbar ist. Dieser Prozess braucht natürlich auch viel Frustrationstoleranz, wenn der Erfolg nicht von Anfang an erkennbar ist. Kreativität ist ein Prozess, der Konsequenz bei der Umsetzung beinhaltet.
Pöppel: Gestaltest du das Unternehmen oder passt du es an die Bedürfnisse an?
von Heimburg: Ich gestalte mit meinem Team, wenn es um Geschäftsmodelle geht. Dazu gehört, dass wir nicht nur auf die Technologie setzen, sondern diese auch stark pushen. Bereits jetzt haben uns die neuen Technologien ganz andere Kundenfelder eröffnet. Blackberry, iPhone und iPad haben nicht nur unser Leben verändert, sondern unser ganzes Geschäftsmodell.
Die Beharrlichkeit der Erinnerung
Wie Entdeckungen aus dem Gedächtnis gemacht werden
In kreativen Prozessen werden immer unterschiedliche Gedächtnisinhalte miteinander verknüpft. Eine besondere Rolle spielt dabei das episodische Gedächtnis, in dem bedeutsame Situationen unseres Lebens gespeichert sind. Eine Geschichte über das episodische Gedächtnis mit einem sehr persönlichen Ausgangspunkt.
Vor einigen Jahren stand ich, Ernst Pöppel, im Prado in Madrid und betrachtete die Grafikzyklen von Francisco de Goya über die Grausamkeiten des Krieges („Desastres de la Guerra“) und die Absurditäten des Lebens („Los Caprichos“). Die Revolte der Spanier gegen die Herrschaft Napoleons und die brutalen Repressalien durch die Besatzer hatten den Maler zu seinen schockierenden Schreckensbildern inspiriert. In Öl malte Goya die Geiselerschießung des 3. Mai 1808, eines seiner Meisterwerke. Besonders zu diesem 2,6 mal 3,4 Meter großen Bild fühlte ich mich hingezogen und von ihm abgeschreckt zugleich.
Dabei kamen die Kriegsbilder aus meiner Vergangenheit in mir hoch. Als die Russen den Hof meiner Familie in Pommern einnahmen und dort ein Blutbad anrichteten, erging es mir und den anderen Kindern genauso, wie es Goya gemalt hat: Wir hielten uns die Augen zu und guckten trotzdem. Mit den Erinnerungen stellten sich auch die beklemmenden Gefühle wieder ein, die ich aus Träumen nur zu gut kenne. „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“, das hat Goya unter eines seiner Bilder geschrieben. Im Prado wurden die bildhaften Erinnerungen jedoch nicht durch den Schlaf ausgelöst, sondern durch die Konfrontation mit anderen, real fassbaren Bildern.
Zur Zeit des Prado-Besuchs vor etwa zehn Jahren beschäftigte ich mich mitden unterschiedlichen Wissenssystemen in unserem Gehirn. Denn das, was wir wissen, ist nicht immer in derselben Weise in unserem Gehirn gespeichert. Vielmehr besitzen wir drei Wissensformen. Bestens bekannt ist das explizite Wissen, das in Schulen genauso wie in Quiz-Shows im Vordergrund steht. Es ist das, was wir abfragen können. Wie heißt die Hauptstadt von Aserbaidschan? Wie viele Neuronen besitzt das menschliche Gehirn? Wie lautet die zweite binomische Formel? Aber können Sie erklären, welche Muskeln Sie nacheinander anspannen, um einen Golfschläger zu schwingen? Oder welche Prozesse
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