Von Natur aus kreativ
Professor etwas zu ihm. Der Student legte wieder ab, entgegnete etwas, holte tief Luft und begann dann zu schlagen. Doch der Aufschlag missglückte, der Punktgewinn ging an den Professor. Die Zuschauer raunten.
Im Laufe des Spiels machte der Student seine Eingangsschlappe wieder wett. Er reagierte schnell, drückte dem Spiel zusehends seinen Stempel auf. Alser sich – mittlerweile wieder siegesgewiss – sein Handtuch holte, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, zog der Professor seine Jacke an, so als ob ihn fröstelte. Wer einmal Squash gespielt hat, der weiß, dass es ein sehr schweißtreibender Sport ist, bei dem man schnell hohe Körpertemperaturen erreicht. Der Student war verunsichert, die nächsten Punkte gingen an den älteren der beiden Spieler.
Für die Zuschauer war das Spiel hochspannend. Der Professor war zwar fit, aber der Student eindeutig schneller. Ihm unterliefen aber immer wieder unerklärliche Patzer. Beim Squash geht es darum, zuerst elf Punkte zu erreichen, und zwar mit mindestens zwei Punkten Vorsprung. Doch bis zum Stand von elf zu zehn für den Professor konnte sich keiner der Kontrahenten absetzen. Der Student war mit dem Aufschlag an der Reihe. Plötzlich begann der Professor zu humpeln und sich wie ein gebrechlicher alter Mann aufzuführen. Der Student wurde aggressiv, er schlug mit voller Wucht auf, und der Ball kam in seinem eigenen Spielfeld wieder auf. Ungültig! Spiel, Satz und Sieg.
Was hatte sich zugetragen? Zunächst war der Student siegesgewiss, sich der Vorteile seiner Jugend bewusst gewesen. Doch während des Spiels setzte eine schleichende Verunsicherung ein. Gleich zu Beginn des Spiels stellt ihm sein Professor die Frage, ob er beim Aufschlag eigentlich ein- oder ausatme, woraufhin der Student so sehr auf seinen Atem achtete, dass sein Aufschlag danebenging. Auch schaute der vergleichsweise alte Mann seinem Gegner permanent auf einen Fuß. Der machte sich plötzlich Gedanken, ob etwas mit seinem Schuhwerk nicht stimme, und war abgelenkt, kam aus dem Konzept. Den vorläufigen Rest gab dem Student, dass der Professor zwischendrin seine Jacke anzog, als ob ihn das schweißtreibende Spiel völlig kaltlassen würde.
Weitere Tricks des Professors: den jugendlichen Spieler in Sicherheit wiegen, im Vorfeld den Altersunterschied betonen. Denn wer siegesgewiss ist, macht Fehler. Am wichtigsten war jedoch das Herausstellen seiner Gebrechen. Denn wer sich gegen einen deutlich älteren Gegner nicht durchsetzen kann und dann noch ostentativ mit dessen Alter konfrontiert wird, der wird sauer und verliert die Konzentration.
Der Professor der Geschichte lehrte medizinische Psychologie. Es handelte sich, Sie ahnen es, um den Autor selbst. Damals ließ ich meine Studenten alle psychologischen Tests selbst durchführen, die sie später mit ihren Patienten machen würden: solche zur Messung einer Depression, zur Feststellung des IQ und der Persönlichkeitsmerkmale. Die Tests hatten ein äußerst verblüffendes Resultat: Ein Drittel meiner Studenten war im klinischen Sinne depressiv. Sie brauchten im Grunde ärztliche Hilfe. Eine Erklärung mag der Kulturschock gewesen sein, den sie durch den Übertritt von Schule zur Uni erlebten. In der Schulzeit waren sie herausragend gewesen, gehörten zu den Besten der Klasse. Und nun, da sie mit ihrem guten Abi-Durchschnitt ein Studium mit einem anspruchsvollen Numerus Clausus belegen konnten, gingen sie plötzlich in der Masse unter.
Sport ist das beste antidepressive Mittel überhaupt, das hat gerade erst wieder eine Vier-Jahres-Studie aus Dallas gezeigt, die im Journal of Clinical Psychiatry erschienen ist. Sport hilft gegen schwere Depressionen genauso effektiv wie eine medikamentöse Behandlung. Viele Leute bevorzugen Sport als Therapie, vor allem weil Bewegung nachweislich Gesundheit und Wohlbefinden fördert. Mit Urs Zondler, dem damaligen Betreiber des Bavarian Squash-Center, habe ich deshalb einen Rabatt für meine Studenten ausgehandelt, für nur vier Mark konnten sie einen ganzen Vormittag trainieren und den Hörsaal schwänzen.
Ich selbst hatte fünf Jahre zuvor mit Squash begonnen, und um auch meine Studenten zu aktivieren, versprach ich ihnen das schon erwähnte erlassene Examen – rechtlich nicht ganz unbedenklich, ich gebe es zu. Zufällig führte ich zu dieser Zeit Messungen von Reaktionszeiten durch. So stellten wir damals etwa fest, dass akustische Signale 30 bis 40 Millisekunden schneller im Bewusstsein ankommen als
Weitere Kostenlose Bücher