Von Natur aus kreativ
verwurzelte Prinzip der Ausgewogenheit, des Gleichmaßes oder der Harmonie betont.
Doch wie verhält es sich eigentlich in einem Land, in dem eine solche Kontinuität nicht mehr möglich ist, in dem durch soziale Entwicklungen und finanzielle Möglichkeiten alles auf den Kopf gestellt, der Rahmen des Bisherigen gesprengt wird? Wo liegen in solchen Gesellschaften, in denen Traditionen verloren gehen, die kreativen Herausforderungen für die politische Klasse? Ein positives Beispiel mag Singapur sein, wo der erste Premierminister Lee Kuan Yew es erreicht hat, in einem neuen staatlichen Gebilde mit Menschen vieler verschiedener Kulturen eine nationale Identität zu schaffen. Von ihm wird auch kolportiert, dass er gesagt habe, es sei gleichgültig, welches politische System ein Land habe, solange es eine gute Regierung gebe. Die Frage der nationalen Identität stellt sich auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten, und hier vor allem in Dubai. Wie kann ein Land eine eigene Identität entwickeln, wenn weit über die Hälfte der Einwohner keine Araber sind, sondern aus über hundert verschiedenen Nationen kommen?
Eine „emiratische Identität“ zu schaffen ist ein Ziel, das sich Scheich Muhammad bin Rashid Al Maktum, der konstitutionelle Monarch von Dubai, gesetzt hat. Eine wesentliche Verantwortung hierfür trägt Dr. Abdulla Al Karam, der Direktor der „Knowledge and Human Development Authorities“ (KHDA), der seinen Doktortitel in Informatik in den USA erworben hat.
P öppel: Abdulla, deine Aufgabe besteht darin, eine emiratische Identität und einen Gleichklang zwischen den über hundert Nationen herzustellen. Wie machst du das?
Al Karam: Nach unserer Erkenntnis sind Bildung und Erziehung die einzige Möglichkeit, dieses Ziel des Gemeinsamen zu erreichen. Eine besondere Herausforderung für die schulische Bildung ist, dass wir zwei Systeme haben, nämlich eines für die arabischen Kinder und eines für die „expatriates“, also für die große Zahl der Ausländer. Doch wir wollen für beide Systeme die Qualität in der Erziehung sichern, beginnend in den Kindergärten, dann in den Schulen, genauso auch in den Universitäten und der Berufsausbildung. Wir müssen auf „education“ setzen, sonst zerfällt unser Staat.
Pöppel: Welche Bildungsmaßstäbe werden denn von dir herausgestellt?
Al Karam: Wir möchten uns zunächst auf unsere Traditionen besinnen. Wir sind ein Wüstenstaat, unsere alten Geschichten wurden in den Beduinenstämmen überliefert, und dort hat sich unsere Identität gebildet. Doch manche ehemaligen Beduinen sind über ihre eigene Geschichte und über ihre Traditionen nicht gut informiert. Hier ist es ein Ziel, unsere Vergangenheit den Menschen wieder so nahe zu bringen, dass sie stolz darauf sind. Außerdem ist es notwendig, die historische Verwurzelung mit den modernen Entwicklungen der Gesellschaft in Einklang zu bringen. Wir dürfen unsere Identität nicht verlieren, und doch müssen wir gleichzeitig aufgeschlossen sein für das Neue.
Pöppel: Welche Traditionen hältst du aufrecht?
Al Karam: Wir kleiden uns traditionell, in Schwarz die Frauen, in Weiß die Männer. Das ist nur ein äußerliches Zeichen, mit dem wir unsere Identität zeigen, aber man sollte es nicht unterschätzen. Die Gastfreundschaft spielt eine wichtige Rolle in unserer Kultur. Und natürlich ist der Islam mit unserem täglichen Leben untrennbar verbunden. Doch am wichtigsten ist für uns die intellektuelle Vergangenheit. Vor 1000 Jahren, in der abbasidischen Zeit des Islam mit seiner ausgeprägten Toleranz, waren Bagdad und Damaskus die intellektuellen Zentren der Welt. Was ihr im Westen über dieAntike wisst, das wisst ihr fast alles dank unserer Überlieferungen. Es waren Denker wie Avicenna, Al Farabi oder Averroës, die sollte jeder bei euch, aber natürlich auch bei uns kennen. Wir versuchen, in unserem Bildungssystem das Wissen aus der Vergangenheit lebendig zu halten. Und gerne würden wir euch daran erinnern, dass sich unsere Kulturkreise sehr viel näher stehen, als manche glauben machen wollen. Die westliche Kultur, wie sie sich in den letzten Jahrhunderten entwickelt hat, wurde ganz entscheidend durch die islamische Kultur geprägt. Auch das ist ein Faktor, der zu unserer traditionell-modernen Identität gehört.
Pöppel: Und gleichzeitig nutzt ihr die neuesten technologischen Entwicklungen.
Al Karam: Das höchste Gebäude der Welt, der Burj Khalifa, steht in Dubai – ein Wunderwerk moderner
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