Von Natur aus kreativ
herzustellen, aus der heraus Kreativität sich entfalten kann, muss man lernen (oder etwas gelernt haben), und Lernen ist üblicherweise mit Anstrengung verbunden. Diese notwendige Anstrengung erklärt das geflügelte Wort, dass Kreativität zum größeren Teil Transpiration und nur zum geringeren Teil Inspiration sei.
Auch beim Denken verbraucht das Gehirn Energie. Wenn Sie gerade dabei sind, eine Diät zu planen, dann ist das Denken dabei ein hilfreicheres Modul als das „Chillen“. Obwohl das Gehirn nur zwei Prozent der Körpermasse ausmacht, gehen 20 Prozent des Energieumsatzes auf sein Konto. Wenn Sie sich regelmäßig stark konzentrieren, wird es noch mehr. Unabhängig davon ist Lernen auch das beste Vorsorgemittel gegen Demenz.
Das Lernen durch Einsicht ist für die Kreativität besonders wichtig. Es gehört zur Natur unseres Geistes, Sachverhalte zu verstehen, also Einsicht über einen zunächst unklaren Sachverhalt zu erlangen. Die Einsicht, das „Aha-Erlebnis“, etwas begriffen zu haben, wird als eine Belohnung empfunden, und der Weg zur Einsicht prägt sich (üblicherweise für immer) in unser Wissenssystem ein. Da diese Form des Lernens – etwas zu verstehen – zur Grundausstattung unserer Denkwerkzeuge gehört, sind wir zur Kreativität geboren.
Physiologische Randbedingungen bestimmen, ob wir das potenzielle Maximum, das Optimum unserer Kreativität ausschöpfen können. Die tagesperiodische Variation aller Funktionen unseres Organismus bedingt, dass wir zu bestimmten Phasen des Tages besonders einfallsreich oder besonders eingeschränkt sind. Nicht jede Tageszeit ist also zur kreativen Arbeit gleichermaßen geeignet. Morgens geht es besser, weil die Gedanken schneller fließen. Wenn man müde ist, kann man sich hingegen nicht zur Kreativität zwingen.
Doch es gibt nicht nur einen genetisch vorgegebenen Tagesrhythmus, wir haben auch eine eingebaute „Jahresuhr“, auch wenn diese aufgrund zivilisatorischer Maßnahmen (insbesondere der Einführung des künstlichen Lichts und der gleichbleibenden Ernährung über das Jahr hinweg) in ihrer Wirkung gedämpft wird. Dennoch sind wir nicht zu jeder Jahreszeit in gleicher Weise kreativ, wobei wiederum jeder sein eigenes Präferenzmuster haben mag.
Ein Rahmen wird der Kreativität auch durch die Ernährung gegeben. Aufgrund der Möglichkeiten, die die moderne Gesellschaft bietet, sind wir alle, zumindest nahezu alle, überernährt. Besonders kreativ sind wir aber gerade dann, wenn wir ein wenig hungrig sind.
Kreativität ist zudem davon abhängig, wie die physikalische Umwelt gestaltet ist. Sie hängt von der Raumtemperatur, der Lichtintensität, dem Geräuschpegel, dem Geruch ab. Diese Einflussfaktoren dürfen das Befinden nicht stören. Entscheidend ist die Architektur der Räume, in denen man sich aufhält: Sie sollte die Interaktion mit anderen fördern und berücksichtigen, dass Kreativität findet in einem Radius von etwa 50 Metern stattfindet – und zwar vorzugsweise auf einer Ebene, nicht über mehrere Stockwerke hinweg. Eine gelungene Architektur der Kreativität muss von der Innenperspektive des Menschen ausgehen, der durch sein Denken und Gestalten zu etwas Neuem kommen möchte; allzu häufig wird der Mensch für artifizielle Umgebungen instrumentalisiert, indem man von der Außenperspektive ausgeht und Nutzenaspekte zu berücksichtigen versucht, die nicht dem menschlichen Maß entsprechen.
Da im menschlichen Gehirn alle Funktionen voneinander abhängig sind, spielt es auch eine Rolle, in welcher Weise sich die kreative Leistung äußert. Wenn man den Rahmen des Sprechens wählt, dann ist man in einer anderen Weise kreativ, als wenn man schreibt. Dies liegt auch an der Geschwindigkeit der möglichen Äußerung; man spricht sehr viel schneller, als man schreibenkann (dies gilt zumindest für viele), sodass die Ankopplung des kreativen Gedankens beim Schreiben verzögert ist und dieser sich manchmal sogar wieder verliert. Etwas zu zeichnen öffnet wieder einen anderen expressiven Rahmen. Skizzen können helfen, sich in den Knäueln der Gedankenwelt zurechtzufinden. Etwas zu bauen, sei es als Modell, sei es in spielerischer Absicht, greift seinerseits auf andere kreative Potenziale zurück, und zu spielen, ohne die erklärte Absicht, ein Problem zu lösen, öffnet wiederum einen neuen Zugang.
Soziale Faktoren spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Manchmal ist man dann besonders kreativ, wenn man unter Zeitdruck steht. Offenbar können
Weitere Kostenlose Bücher