Von Natur aus kreativ
jeder das sichere Gefühl haben muss, nicht gestört zu werden, was nur bei einer allgemeinen Ritualisierung möglich wäre.
Man arbeitet sehr viel effizienter, wenn die Arbeitszeit zeitlich segmentiert wird, wenn also in regelmäßigen Abständen (etwa alle anderthalb Stunden) eine kleine Pause eingelegt wird. Aufgrund der tagesperiodischen Variation der physiologischen und psychologischen Funktionen sollte diese Pause nach dem Mittagessen etwas ausgedehnter sein, auch ein kurzer Schlaf ist dann sehr erholsam. Zur zeitlichen Gestaltung kreativer Arbeit gehört auch die Regelmäßigkeit. Gleitzeitregelungen erlauben eine zeitlich flexible Gestaltung der Arbeitszeit, sodass eine individuelle Ritualisierung mit stabilen Zeiten möglich wird. Diese gibt den Rahmen vor, auf den man sich verlassen kann und der einem auch ein verlässlicheres Monitoring der eigenen Leistung ermöglicht.
Äußerliche Merkmale eines Raumes, welche die Kreativität fördern, sind insbesondere die Fenster: Wir müssen aus einem Raum herausschauen können, nur dann wird eine Verbindung mit der Außenwelt hergestellt und aufrechterhalten. Der Blick durch das Fenster ist nicht nur dazu da, den Geist in die Ferne schweifen zu lassen, sondern vielmehr, um den Geist im eigenen Raum zu verankern und sicherzustellen, wo man in der Welt ist. Dem Blick durch das Fenster entspricht der Blick auf Bilder. Es gibt wohl wenige Büroräume, in denen nicht Bilder an der Wand hängen, und diese Bilder haben zumeist nichts mit dem unmittelbaren Aufgabengebiet zu tun. Wird das Büro individuell ausgestattet, haben die Bilder fast immer einen privaten Bezug und formen damit den Raum in eine persönliche Umwelt. Vor allem aber erhöhen der Blick durch das Fenster und die Bilder an der Wand die Diversität und sind damit wichtige Elemente für neue Bezüge und manchmal ungewöhnliche Einfälle – ganz im Sinne einer „evolutionären Kreativität“.
Die Diversität wird auch dadurch erhöht, dass nicht immer alles weggeräumt wird, mit dem man sich gerade befasst. Ein leerer Schreibtisch mag Ausdruck von Ordnung sein, er ist aber manchmal auch Ausdruck mangelnder Flexibilität und einer gewissen Distanz zur eigenen Arbeit: Man will sie aus dem Weg haben. Wenn man die Dinge, mit denen man zu tun hat, vor Augen behält (und meistens hat man mit mehreren Aufgaben gleichzeitig zu tun), kann man die Arbeit nach einer Unterbrechung leichter wieder aufnehmen – wie eine Fährte, die schon gelegt ist und nicht erst wieder neu gesucht werden muss. Auch hier wirkt sich wieder die Ortsgebundenheit des Denkens aus: Bestimmte Vorgänge, Notizen oder Ablagestapel müssen immer an derselben Stelle zu finden sein.
Kreativität ist vor allem anderen der gelebte Moment. Waren Sie schon einmal auf einem Stehempfang der Schickeria? Da können Sie genau beobachten, dass es zwei Arten von Wesen gibt, welche die Erde bevölkern. Das sind einmal solche, die tatsächlich miteinander sprechen und einander zuhören. Und dann gibt es die anderen, die immerzu den Blick schweifen lassen, während sie kommunizieren. Denn vielleicht betritt ja noch jemand den Raum, der wichtiger ist als der aktuelle Gesprächspartner. Und denjenigen darf man ja auf keinen Fall verpassen.
Diese Leute stehlen einem die Zeit, die gute Laune und hemmen die eigene Kreativität. Denn sie befinden sich nicht in derselben Zeit wie wir. Unsere innere Zeit verläuft im Drei-Sekunden-Rhythmus. So lange dauert unsere Aufmerksamkeitsspanne, die wir als Gegenwart empfinden. Alles Zwischenmenschliche läuft über diesen Rhythmus, denn wir sind dazu in der Lage, uns miteinander auf diesen Rhythmus einzuschwingen. Das heißt neurobiologisch: Das Gehirn ist alle drei Sekunden in hohem Maß dazu bereit, etwas Neues aufzunehmen. Zwei Menschen, die miteinander reden oder etwas Gemeinsames tun, erleben den Beginn und das Ende dieses Drei-Sekunden-Fensters zur gleichen Zeit. So ist die Kommunikation gewährleistet. Wenn man sich miteinander synchronisiert und sich achtsam auf den Gesprächspartner einstellt, findet die Kommunikation automatisch in einer Intensität und Informationstiefe statt, mit der sich Menschen besser verstehen. In der gemeinsamen subjektiven Gegenwart von drei Sekunden findet ein empathischer emotional aufgeladener Bezug zwischen zwei Menschen statt. Ausgehend von diesen gemeinsamen Zeitfenstern können neue Ideen entstehen, es kann sich Kreativität entfalten.
Wenn aber zwei Menschen im Gespräch zeitlich
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