Von Natur aus kreativ
in einer solchen Situation weitere Ressourcen des Gehirns angezapft werden. Doch dies gilt nicht generell, denn manche Menschen geraten unter Zeitdruck in einen Angstzustand, sodass ihnen ihr Kopf verschlossen bleibt.
Kreativität hat immer einen Sinn. Viele sind deshalb kreativ, weil sie andere zu beeindrucken suchen oder weil sie zu einer erfolgreichen Gruppe gehören wollen. Kreativität erfüllt damit ein Sicherheitsstreben. Andere sind gerade kreativ, um ihre Selbstständigkeit zu bewahren. Betrachtet man die zahlreichen Variablen, die individuelle Kreativität beeinflussen, so folgt daraus, dass jeder seine eigenen Randbedingungen kennen sollte, um seine kreativen Potenziale zu nutzen. Welches sind die Rituale, die man sich selbst geben muss, um kreativ zu sein, welche persönliche Zeitstruktur gilt für einen selbst, um das aus sich herauszuziehen, was in einem verborgen ist?
Wie sollte oder wie könnte ein Ort der Kreativität gestaltet sein? Wir sind von Natur aus ortsverankerte Wesen. Wir brauchen für die Entfaltung unserer Möglichkeiten Sicherheit, und diese Sicherheit wird uns dort gegeben, wo wir uns heimisch fühlen. Da viele einen großen Teil der Zeit in einem Büro zubringen, muss dieser Ort als ein persönlicher Raum empfunden werden, mit dem man sich identifizieren kann. Bezieht jemand einen neuen Arbeitsraum, sind es häufig sehr persönliche Dinge, die zuerst ausgebreitet werden: Ein Revier wird in Besitz genommen. Wenn wir uns einen Raum zu eigen machen, nehmen wir eine egozentrische Perspektive ein, aus der heraus wir die Welt betrachten. Bei der exozentrischen Perspektive wird uns ein Ort wie auf einer Landkarte zugeteilt, mit dem wir uns aber nicht identifizieren können. Hieraus folgt, dass der Verzicht auf individuelle Büros keine angemessene Lösung ist, hat man die Förderung der Kreativität im Auge. In entpersönlichten Bürolandschaften können vielleicht Aufgaben abgearbeitet werden, aber sie sind kein Ort für neue Ideen.
Der Verzicht auf den individuellen Ort lässt an eine weitere Prozesseigenschaft des Gehirns denken, die uns alle kennzeichnet: das Reafferenzprinzip. Wenn immer wir etwas planen, wenn immer wir eine Aufgabe zu lösen haben, dann finden in unserem Gehirn zwei parallel laufende Vorgänge statt. Zum einen wird ein motorisches Programm in Gang gesetzt, die Aufgabe wird in Angriff genommen; zum anderen wird eine Kopie des exekutiven Programms gemacht, und diese Kopie wird laufend mit dem Status verglichen, in dem sich die Aufgabe gerade befindet. Diese neuronalen Prozesse dienen dem Selbst-Monitoring. Wir sind immer darüber informiert, wie weit wir sind. Diese Information ist aber eher ein implizites Wissen als eine explizite Registrierung. Bei manchen Menschen ist dieses Selbst-Monitoring örtlich verankert. In ihrem Büro spüren sie in einer ganz anderen Weise, wie weit sie bei der Lösung eines Problems vorgedrungen sind, als wenn sie sich an einem beliebigen anderen Ort aufhalten. Um kreativ sein zu können, müssen wir spüren können, ob der Ort richtig gewählt ist. Wenn nicht, sollten wir ihn wechseln oder beispielsweise Routineaufgaben nachgehen.
Um einen besseren Einblick in die Funktionsweisen der Kreativität zu erhalten, können wir uns an einigen Prinzipien der Evolution orientieren. Schließlich ist die Evolution des Lebens der kreativste Prozess gewesen, der sich auf der Erde entfaltet hat. Die wichtigsten Prinzipien der Evolution sind Mutation, Variabilität der Merkmale und Selektion. Der zweite Punkt ist besonders wichtig, nämlich die Variabilität: Wenn vieles Verschiedene zusammenkommt, sei es durch Zufall oder gezielt, dann kann leichter etwas Neues entstehen, das sich schließlich im Selektionsprozess durchsetzt. Auch ein Arbeitsplatz sollte deshalb die Möglichkeit bieten, Verschiedenes aufeinandertreffen zu lassen. Welche räumlichen Gestaltungsmerkmale können dabei eine Rolle spielen und wie könnte das Zeitmanagement kreative Arbeit begünstigen?
Kreativitätsstörend ist es, wenn man dauernd beim Denken unterbrochen wird. Besonders in Betrieben und Institutionen lässt sich das aber oft nicht vermeiden. Wie aber wäre es, wenn man überall dort, wo mehrere Menschen zusammenarbeiten, täglich eine Stunde aus dem Kommunikationszwang aussteigen würde? Dies müsste natürlich überall dieselbe Stunde sein; vielleicht jeden Tag zwischen zehn und elf Uhr. Eine Firma oder ein Unternehmen ist dann still und denkt. Entscheidend ist, dass
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