Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Von Natur aus kreativ

Von Natur aus kreativ

Titel: Von Natur aus kreativ Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Poeppel , Beatrice Wagner
Vom Netzwerk:
unseres „Er-Lebens“ bildet?
    Es waren einzellige Organismen, die in die Welt hineintraten und die unerhört erfolgreich waren: Sie schufen die Atmosphäre, die Luft, die wir atmen. Die ersten Lebensformen haben erst die Natur geschaffen, die für uns so selbstverständlich geworden ist. Fragt man sich, wie diese einfachsten Lebewesen aufgebaut waren (und immer noch sind), dann stellt man etwas Bemerkenswertes fest: Von Anbeginn des Lebens sind Organismen durch Funktionen gekennzeichnet, die für alle Lebewesen gelten, also auch für die weiterentwickelten, die mit Gehirnen ausgestattet sind, also auch für uns. Wenn man es genau nimmt, dann sind nur wenige Funktionen im Laufe der Evolution hinzugekommen, auch wenn dies uns vielleicht in unserem Stolz kränkt. Die Prinzipien des Lebens und auch des Erlebens sind mehrere Milliarden Jahre alt.
    Auf abstrakter Ebene kann man eine Zelle, einen einzelligen Organismus, als einen umschlossenen Raum betrachten, in dem Zeit gleichsam „eingefroren“ ist. Denn was ist eigentlich die Erbsubstanz? Sie besteht aus chemischen Verbindungen, die Zustände von früher für später festhalten, also im übertragenen Sinn „einfrieren“. In der Erbsubstanz wird etwas festgelegt und aufbewahrt, was in Zukunft benötigt werden könnte.
    Nebenbei bemerkt: Damit beweist Mutter Natur, dass es „Zeit“ gibt, denn sie plant für die Zukunft; Überlegungen, dass es die „Zeit“ vielleicht gar nicht geben mag, sind also biologisch widerlegt oder sie gehören zu einem Gedankengerüst, das zumindest biologisch irrelevant ist.
    Damit dies geschehen kann, damit etwas bewahrt werden kann, muss ein eigener Raum geschaffen werden, der sich heraushebt aus dem sonst überall wirkenden Zerfall. Zellen haben deshalb eine Membran. Sie stellt sicher, dass die chemischen Abläufe innerhalb der Zelle nicht mehr den Gesetzen des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik unterliegen, dass also alles zerfällt und vergeht. Die Membran schafft einen neuen Raum, aber sie schafft kein abgeschlossenes System, denn sie ist in beiden Richtungen für bestimmte Stoffe und vor allem für Information durchlässig. Mit dem Entstehen von Zellen, mit dem Beginn des Lebens auf der Erde, geschieht etwas völlig Neues: Es findet eine Befreiung statt von der Auslieferung an den Zerfall und den Verfall in der Welt; lebende Organismen schützen sich durch ihre Struktur davor, in ein ungeordnetes Gleichgewicht zu zerfließen.
    Um ihr Ziel zu erreichen, nämlich ein geordnetes Gleichgewicht zu schaffen, eine Homöostase aufrechtzuerhalten, sind Lebewesen mit Fähigkeiten ausgestattet, die es bereits seit Anbeginn des Lebens gibt. Die Panzeralge Gonyaulax polyedra etwa, ein winziger Organismus, der im Meer zu Hause ist und für das Meeresleuchten verantwortlich ist, hat bereits Wahrnehmungen. Die einzelligen Lebewesen können mit bestimmten chemischen Verbindungen in ihrer Zellmembran verschiedene Wellenlängen im elektromagnetischen Spektrum unterscheiden – sie können also „sehen“. Und sie können sich wie viele andere bewegen, um Orte aufzusuchen, die für die Regulation ihrer Lebensprozesse besonders günstig sind. Damit ist ein Grundmotiv des Lebens überhaupt angesprochen, nämlich sich immer dorthin zu bewegen, wo die Lebensbedingungen optimal sind. Ohne zielorientierte Bewegung ist eine solche Ortsverlagerung nicht möglich, doch will man sich bewegen, muss man hierfür mit den notwendigen Strukturen ausgestattet sein, seien es Beine oder – am Anfang der Evolution – die Cilien, die auch wir Menschen noch besitzen: die Spermien, die sich zu dem zu befruchtenden Ei hin bewegen. Um ein Ziel zu erreichen, muss das einzellige Lebewesen, im Grunde aber jedes Lebewesen, vorher den jetzigen Zustand bewerten. Nur wenn klar ist, wo ich bin, kann bestimmt werden, wohin ich will. Und damit sind wir bei einem weiteren Grundprinzip des Lebens, der Bewertung nämlich.
    Damit etwas bewertet werden kann, muss eine weitere Operation eingesetzt werden: Es muss ein Vergleich zwischen verschiedenen organismischen Zuständen vorgenommen werden. Um jedoch etwas vergleichen zu können, muss etwas verfügbar sein, das verglichen werden kann. Dieses Etwas sind funktionelle Zustände. Nur wenn ein Zustand bestimmt ist, kann dieser mit einem anderen in Beziehung gesetzt werden, was dann erst den Vergleich ermöglicht. Dieses Herstellen und Nutzen einer Relation gilt jedoch nur für einen bestimmten Zeitraum. Jeder Organismus hat ein für

Weitere Kostenlose Bücher