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Von Natur aus kreativ

Von Natur aus kreativ

Titel: Von Natur aus kreativ Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Poeppel , Beatrice Wagner
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ihn typisches „Zeitfenster“, es ist also für einen Einzeller vermutlich anders als für den Menschen. Wie groß dieses Zeitfenster jeweils ist, dies ist eine empirische Frage, mit der sich Forscher zu beschäftigen haben; bei Menschen sind es oft nur wenige Sekunden, die für Vergleiche genutzt werden, um zu einem angemessenen Urteil zu kommen. Solche schnellen Entscheidungen trifft zum Beispiel jeder, der beim Fernsehen durch die Kanäle „zappt“ und innerhalb von drei Sekunden weiß, was er nicht anschauen will.
    Was auch erstaunen mag, ist die Tatsache, dass viele einzellige Lebewesen bereits durch Sozialverhalten gekennzeichnet sind. Abhängig von Bedingungen der Umwelt schließen sie sich zu Verbünden zusammen und lösen diese wieder auf. Sie bilden dabei Muster, die wir mit unserem Blick als ästhetisch empfinden. Allein dies könnte uns beunruhigen, dass die Grundlagen des ästhetischen Sinns vielleicht auch schon ein paar Milliarden Jahre alt sind. Auch dieses spricht für die Einheit der Natur, der wir angehören, und der wir nicht entfliehen können und schon gar nicht sollten.
    Somit lässt sich festhalten: Innerhalb eines vorgegebenen Zeitfensters findet ein Vergleich statt, damit eine Bewertung vorgenommen werden kann, die die Grundlage dafür ist, sich dorthin zu bewegen, wo die Bedingungen vermutlich optimal sind, auf jeden Fall aber besser. Um die Bedingungen zu kennen, müssen die Ergebnisse der Wahrnehmung genutzt werden, und zwar im Rahmen einer Kontrollfunktion: Bereits die einfachsten Lebensformen müssen antizipieren können, ob eine Bewegung hin zu einem bestimmten anderen Ort besser wäre, als am aktuellen Ort zu bleiben. Wir können also bei der Analyse von Prinzipien des Lebens nicht davon ausgehen, dass die einfachsten Lebensformen nur reaktive Wesen sind. Zielgerichtetes Bewegen (oder Handeln), Bewerten auf der Grundlage gespeicherter und in einem Gegenwartsfenster aufgenommener Information, Wahrnehmen also, einen Zustand in seiner Identität bestimmen und für eine gewisse Zeit festhalten, dies alles in einem umschlossenen Raum, den man „Zelle“ nennen kann, sind Grundoperationen von Organismen, die seit Anbeginn der Zeiten gelten, seit es also überhaupt Leben auf dieser Erde gibt.
    Es ist nun bemerkenswert, dass diese Prinzipien, die den Lebenserfolg der einzelligen Organismen garantierten, in der Evolution von Organismen mit Gehirnen noch einmal erfunden wurden. Vor etwa 700 Millionen Jahren schlossen sich einzellige Organismen zu mehrzelligen Verbünden zusammen, und es entstanden mehrzellige Organismen. Damit diese als Ganzes funktionierten, mussten mehrzellige Organismen ein Informationssystem aufbauen. Diese Notwendigkeit für Informationssysteme ist der Grund für die Entwicklung von Nervensystemen oder Gehirnen. Sie sind erforderlich geworden, um einzelne Zellen, die mit CAMs (cell adhesion molecules) gleichsam verklebtwurden, miteinander kommunizieren zu lassen, sodass sich der Organismus als Ganzes bewegen oder handeln kann.
    Es begann die unglaubliche und sich immer mehr beschleunigende Entwicklung neuen Lebens, angetrieben vor allem durch die sexuelle Fortpflanzung mehrzelliger Organismen. Diese Entwicklung erfolgte parallel zur weiteren Entfaltung des Lebens bei einzelligen Organismen, die auch heute noch die Welt beherrschen. Lebewesen mit Gehirnen machen, was die Biomasse auf der Erde betrifft, nur einen kleinen Bruchteil aus. Wir sind in der Minderzahl. Das Erstaunliche ist nun, dass in diesen Organismen mit höherer und vor allem anderer Komplexität dieselben Prozesse der Informationsverarbeitung noch einmal erfunden wurden.
    Machen wir den Sprung vom Einzeller zum Menschen, wobei uns das Gedicht „Die Entwicklung der Menschheit“ von Erich Kästner zunächst einmal Orientierung geben mag:
    Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,
    behaart und mit böser Visage.
    Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt
    und die Welt asphaltiert und aufgestockt,
    bis zur dreißigsten Etage.
    Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,
    in zentralgeheizten Räumen.
    Da sitzen sie nun am Telefon.
    Und es herrscht noch genau derselbe Ton
    wie seinerzeit auf den Bäumen.
    Sie hören weit. Sie sehen fern.
    Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
    Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern.
    Die Erde ist ein gebildeter Stern
    mit sehr viel Wasserspülung.
    Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.
    Sie jagen und züchten Mikroben.
    Sie versehn die Natur mit allem

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