Von Natur aus kreativ
tun haben, dem Körper und dem Geist, oder wir sind Monisten, die das Subjektive in körperlichenProzessen begründet sehen. Hierzu gibt es auch dichterische Meinungen, etwa jene von Robert Gernhardt mit seinem Gedicht „Philosophie-Geschichte“:
Die Innen- und die Außenwelt,
die warn mal eine Einheit.
Das sah ein Philosoph, der drang
Erregt auf Klar- und Reinheit.
Die Innenwelt,
dadurch erschreckt,
versteckte sich in dem Subjekt.
Als dies die Außenwelt entdeckte,
verkroch sie sich in dem Objekte.
Der Philosoph sah dies erfreut:
Indem er diesen Zwiespalt schuf,
erwarb er sich für alle Zeit
den Daseinszweck und den Beruf.
Zu dem Problem der verschiedenen Welten hat sich auch Christian Morgenstern in „Scholastikerprobleme“ Gedanken gemacht. Wir sitzen leicht einem Fehler auf, wenn wir verschiedene Kategorien miteinander vermischen:
Wieviel Engel sitzen können
auf der Spitze einer Nadel –
wolle dem dein Denken gönnen,
Leser sonder Furcht und Tadel!
„Alle!“ wird’s dein Hirn durchblitzen.
„Denn die Engel sind ja Geister!
Und ein ob auch noch so feister
Geist bedarf schier nichts zum Sitzen.“
Ich hingegen stell den Satz auf:
Keiner! – Denn die nie Erspähten
können einzig nehmen Platz auf
geistlichen Lokalitäten.
Es macht keinen Sinn, sich die Frage zu stellen, wie viel Engel auf der Spitze einer Nadel Platz haben könnten. Die Tatsache, dass wir überhaupt Fragen stellen können, heißt noch lange nicht, dass diese damit auch sinnvoll sind. Die letzte Sicherheit in unserem irdischen Sein nur in der Rationalität, also in dem durch René Descartes formulierten „Ich denke, also bin ich“ zu sehen, das gehört in unserem Kulturkreis zumindest für viele zur unverzichtbaren Grundlage. In ihren „Xenien“ haben aber Goethe und Schiller diesen Gedanken einmal aufgespießt:
Denk’ ich, so bin ich. Wohl! Doch wer wird immer auch denken?
Oft schon war ich und hab’ wirklich an gar nichts gedacht.
Wenn man mit bildgebenden Verfahren, insbesondere der funktionellen Kernspintomografie, in das Gehirn hineinschaut, dann stellt man fest, dass es besonders aktiv ist, wenn man „an gar nichts denkt“. Offenbar sind dann die neuronalen Systeme hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt; diese verteilten Aktivitäten in einem relativ klar definierten Netzwerk haben etwas mit Selbstbezug zu tun, beziehen sich also auf unsere personale Identität. Unterstellt man einmal die Richtigkeit dieser Beobachtungen, dann haben Goethe und Schiller mit den beiden Zeilen eine wichtige neuronale Erkenntnis ausgesprochen, dass wir nämlich auch wir selber sind, wenn wir „an gar nichts denken“. Wie es Friedrich Nietzsche einmal vorgeschlagen hat, sollte man also eher sagen „Es denkt“ als „Ich denke“. Dann lässt sich auch leichter bestimmen, was eigentlich ein Einfall ist, denn was bedeutet „Einfall“? Offenbar hat es ohne bewusste Steuerung in einem gedacht, und dabei ist etwas Sinnvolles, oft sogar Kreatives entstanden.
Eine Frage, die viele Neurowissenschaftler bewegt, ist jene nach dem freien Willen. Gibt es ihn oder gibt es ihn nicht? Von Immanuel Kant gibt es zwei Antworten auf diese Frage. In der dritten Antinomie der „Kritik der reinen Vernunft“ beweist Kant, dass es den freien Willen gibt, aber er beweist auch, dass es ihn nicht gibt. Dichterisch hat Eugen Roth sich zu diesem Problem Gedanken gemacht:
Ein Mensch erhofft sich fromm und still,
daß er einst das kriegt, was er will;
bis er dann doch dem Wahn erliegt
und schließlich das will, was er kriegt.
Ein besonders faszinierendes philosophisches Thema, das auch die Hirnforschung und die Psychologie herausfordert, ist die Frage nach dem Selbst: Woher wissen wir eigentlich, wer wir sind? Wie ist es möglich, dass ich am Morgen aufwache, vor den Spiegel trete und demselben Selbst in die Augen schaue? Wie bestimmt sich also Identität? Eine Antwort auf die vielleicht absurd erscheinende Frage ist, dass wir uns selbst auf der Grundlage unserer Erinnerungen konstruieren. Die zeitliche Wanderung aus dem jeweiligen Jetzt in die Vergangenheit hinein trifft immer wieder auf dieselben Gedächtnisinhalte, und durch diese gleichbleibenden inhaltlichen Bezüge wird ein inneres Bild des Selbst erzeugt. Das mag aber auch eine Illusion sein. Vielleicht ist jeder nur die Simulation seiner selbst. Doch obwohl wir uns als wir selbst erscheinen, ändern wir uns – ein paradoxe Situation: Wir sind gleichzeitig wir selbst und
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