Von Natur aus kreativ
Prozesses sein. Etwas misszuverstehen, führt einen nicht selten auf eine neue Fährte – so ist es in der Forschung oft genug geschehen. Und natürlich haben wir in den Kommentaren – seien sie kurz oder lang – immer den Bezug der besprochenen Werke zu den zentralen Themen dieses Buches aufgezeigt: dazu, dass wir von Natur aus kreativ sind, zur Frage, wie wir mögliche Kreativitätsstaus umfahren können, wie unser Gehirn bei bestimmten Herausforderungen funktioniert, dazu, dass es uns als biologischen Wesen immer darum geht, ein inneres Gleichgewicht, eine Homöostase, herzustellen, und dazu, dass dies alles ohne Mut und eigenen Einsatz nicht zu erreichen ist.
Kommentierte Texte von A bis Z
Ralph Adolphs: „The Social Brain. Neural Basis of Social Knowledge“, in: Annual Review of Psychology 60 (2009), S. 693 – 716.
Wenn wir uns fragen, wie wir als biologische Wesen von Natur aus „gemeint“ sind, dann ist eine Antwort, dass wir vor allem auch soziale Wesen sind. Die „sozialen Neurowissenschaften“ haben sich in den letzten Jahren besonders stark entwickelt, wobei auffällig ist, dass hier besonders Forscher aus dem ostasiatischen Raum wesentliche Beiträge leisten. Eine Grundfrage in diesem Forschungsbereich lautet: Was verbindet uns über kulturelle Grenzen hinweg miteinander und was macht uns aufgrund unterschiedlicher kultureller Prägungen verschieden? Was sind anthropologische Universalien, was kulturelle Spezifika? Wenn wir das soziale Miteinander betrachten, müssen wir zwischen zwei Prozessen unterscheiden: Einerseits sind wir bestimmt durch eher langsame rationale Prozesse, die meist in sprachliche Äußerungen eingebunden sind, etwa wenn wir Urteile über andere fällen. Andererseits steuern uns automatische, schnelle Prozesse, die emotional geprägt sind, wie zum Beispiel beim ersten Eindruck, den man von jemandem bekommt. Wenn wir Urteile über andere fällen, das zeigt die moderne Forschung insbesondere auf der Basis von Ergebnissen bildgebender Verfahren wie der funktionellen Kernspintomografie (fMRT), dann sind an solchen Urteilen vor allem Areale des orbitofrontalen Cortex, der Amygdala und des Temporallappens beteiligt. Doch dies sind sie nie nur allein, sondern immer als Teil eines neuronalen Netzwerks: Andere Strukturen kommen hinzu, so der insuläre Cortex, der bei empathischen Erlebnissen oder anderen Emotionen beteiligt ist. Und hierin findet Ralph Adolphs die Antwort auf seine Frage, worin sich die soziale Kompetenz des Menschen wohl gegenüber anderen Lebewesen unterscheiden mag: Er kommt zu dem Schluss, dass wir anders als andere Lebewesen in der Lage sind, uns in andere Zeiten und an andere Orte zu versetzen – und dass wir uns in das Seelenleben anderer hineinfühlen können. Das zeichnet uns aus. Und ist kreatives Handeln nicht immer auf andere gerichtet?
A l-Farabi: Über die Wissenschaften – De scientiis. Nach der lateinischen Übersetzung Gerhards von Cremona, Hamburg: Meiner 2005 .
Im 10. Jahrhundert, also vor mehr als eintausend Jahren, waren Bagdad und Damaskus das Zentrum der geistigen Welt, und sie zeichneten sich durch eine Toleranz aus, die man sich für die heutige Welt wünschen würde. Eine besondere wissenschaftliche Herausforderung war es, die Wissens- und Glaubenssysteme der griechischen und der islamischen Welt zusammen zu denken, und dieser Aufgabe hat sich Al-Farabi gestellt. Sein Lösungsversuch hat heute noch Gültigkeit. Wie fruchtbar wäre es, wenn wir die Kreativität der verschiedenen kulturellen Welten heute zusammenbringen würden, und zwar nicht, um kulturelle Identitäten aufzugeben, sondern um sie als Kulturexperimente der Menschheit zu verstehen. Hieraus könnten sich neue kulturelle Trajektorien entfalten, die das Bewährte erhalten und mit Respekt dem Bewährten gegenüber das Neue mutvoll versuchen.
Jean-Christophe Ammann: Bewegung im Kopf. Vom Umgang mit der Kunst, Regensburg: Lindinger + Schmid 1993.
Ein faszinierendes Buch eines großen Kunst-Kenners. Zwar meint Jean-Christophe Ammann: „Über Kreativität kann man sich fusselig reden, ohne einen einzigen Schritt voranzukommen“, doch in seinen Beschreibungen der Künstler schwärmt er von deren Kreativität. Aber Paradoxien gehören zur Kunst und Wissenschaft. Ammann sagt: „Künstler sind auch nur Menschen, und das, was sie ausdrücken, ist in uns allen auch vorhanden.“ Inhaltliche Themen der Kunst sind nach seiner Auffassung Zeit, Angst, Tod und Sexualität,
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