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Von Natur aus kreativ

Von Natur aus kreativ

Titel: Von Natur aus kreativ Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Poeppel , Beatrice Wagner
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über den Tellerrand blicken und Verstecktes „entbergen“, und man darf sich nicht verrückt machen lassen von den jeweils aktuelle Hypes, insbesondere vom „Neuropop“, den wir gerade erleben.
    Ein weiterer Mechanismus, sich gegen die Flut der wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu wehren, besteht darin, dass man nur noch zur Kenntnis nimmt, was in den letzten Jahren veröffentlicht wurde. Was vor dem Jahr 2000 in der wissenschaftlichen Literatur niedergelegt wurde, wird in vielen Disziplinen bereits zur tiefsten Vergangenheit gezählt und deshalb nicht beachtet. So kommt es dazu, dass etwas, das eigentlich längst bekannt ist, vermeintlich neu „entdeckt“ wird.
    Und dann gibt es natürlich noch die Sprachbarriere: Wenn man so töricht war oder ist, im Bereich der Hirnforschung nicht auf Englisch zu publizieren, dann existiert das in der „falschen“ Sprache Aufgeschriebene einfach nicht,zumindest nicht im internationalen Rahmen. Dann kann man noch so stolz auf die Kreativität des eigenen Kulturkreises sein, doch was auf Russisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Deutsch oder gar in einer asiatischen Sprache wie Japanisch oder Chinesisch geschrieben wurde, ganz zu schweigen von Arabisch, kommt auf der internationalen Bühne nicht vor.
    Wenn irgendwann das Projekt, semantisch sensitive Suchmaschinen zur Erfassung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu entwickeln, ernsthaft angegangen werden sollte, dann muss man erstens das Zeitfenster in die Vergangenheit öffnen und zweitens die Sprachbarriere aufheben. Dass damit die Aufgabe, eine solche Suchmaschine zu entwickeln, nicht leichter wird, das ist offenkundig. Doch nur dann kann man auch noch etwas anderes erkennen, das sich durch die Sprache vermittelt: Zum einen ermöglicht es die Erweiterung des Zeit- und Sprachhorizonts, Erkenntnisse in das eigene Denken einzubeziehen, die man sonst übersehen hätte. Zum anderen aber bietet die Struktur einer jeden Sprache eigene Möglichkeiten, Dinge auszudrücken, Möglichkeiten, auf die nur sehr geübte Sprecher oder Muttersprachler zugreifen können. Und die Art, wie eine Erkenntnis in einer Muttersprache ausgedrückt werden kann, spannt einen eigenen inhaltlichen Rahmen auf, auch in den Naturwissenschaften, zumindest im Bereich der Hirnforschung und der Psychologie. Wir setzen unserer Welt durch einen zu engen Zeit- und Sprachhorizont Grenzen und machen uns so dümmer, als wir sind. Und in diesem Fall ist Dummheit eine Sünde.
    Dass es zu solch merkwürdigen Entwicklungen wie den beschriebenen Zitationskartellen gekommen ist, hat auch etwas mit der Instrumentalisierung der Wissenschaft, wie vielleicht des ganzen modernen Lebens zu tun. Wir sind im Wesentlichen nur noch Kostenfaktoren in den Systemen der Gesundheit, der Bildung, der Umwelt und der Wissenschaft. Um diese zu kontrollieren, braucht man natürlich Zahlen, mit deren Hilfe die Controller ihre Arbeit verrichten können und schließlich die Entscheider ihres Amtes walten können. Dass diese Kontrolle nichts anderes als Freiheitsberaubung ist, das fällt schon gar nicht mehr auf. Wir alle sind auch adaptive Systeme, die im Laufe der Zeit als selbstverständlich hinnehmen, was nicht selbstverständlich ist. Man muss sich fragen, wie man uns in 50 Jahren rückblickend beurteilen wird. Werden wir in der Zukunft vor uns bestehen können?
    Warum also fügen wir diesem Buch überhaupt ein Verzeichnis an, das sich auf Bücher und wissenschaftliche Artikel anderer bezieht? Ein Grund: Es istein Vergnügen, manchmal auch ein Missvergnügen, in den Werken anderer zu lesen, ihre Gedanken aufzugreifen, sie vielleicht in einen anderen Rahmen zu stellen, und die Möglichkeit hierzu wollen wir unseren Lesern nicht vorenthalten. Insbesondere aber glauben wir, dass durch die Auswahl und die Kommentare unsere eigenen Vorurteile deutlicher werden. Und es wird durch die Auswahl transparenter, dass immer bestimmte Gedanken herausgegriffen wurden, die vielleicht gar nicht die zentrale Thematik des zitierten Werkes sind. Womöglich stehen dem Spezialisten die Haare zu Berge, wenn er sieht, in welcher Weise wir uns auf den jeweiligen Text beziehen, was uns wesentlich oder interessant erscheint. „Habent sua fata libelli“ – die Bücher haben ihr eigenes Schicksal, und Gleiches gilt für wissenschaftliche Artikel. Dass man etwas in ihnen liest, was nur randständig angedeutet wurde, dass man etwas in einen Text hineininterpretiert, kann aber auch die Wurzel eines kreativen

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