Von nun an fuer immer
„Sie fühlt sich unwohl, weil sie hier ist. In deinem Krankenhaus.“
„Wirklich?“ Überrascht sah James auf. Sie musste erhebliche Fortschritte gemacht haben, seit er am Abend zuvor mit der Stationsschwester gesprochen hatte, wenn sie wusste, dass sie in seinem Krankenhaus war. Noch vor wenigen Tagen hatte sie nicht einmal ihren Namen gewusst.
„Lorna war in diesem Punkt sehr deutlich. Sie will dir nicht begegnen.“
„Ich habe sie seit ihrem Aufnahmetag nicht mehr gesehen“, stellte James klar.
„Ja, ich weiß. Aber nun, da Betty und ich nach Schottland abreisen, möchten wir sichergehen, dass das auch so bleibt. Es hat damals sehr lange gedauert, bis Lorna über die Sache mit dir hinweggekommen war.“ Pastor McClelland sah James vorwurfsvoll an. „Doch nun hat sie ihr Leben wieder im Griff. Sie hat sogar einen neuen Freund. Einen Arzt, der zurzeit in Kenia ist.“
„Wie schön für Lorna!“
„Schön für Lorna wäre es, wenn du dich von ihr fernhieltest.“ Er stand auf und streckte James zum Abschied seine Hand hin. James allerdings fand, dass er genügend Höflichkeit geheuchelt hatte, und ignorierte die Geste. Beim Hinausgehen wiederholte der Pastor noch einmal sein Anliegen. „Also James, wenn dir Lornas Wohlbefinden wirklich am Herzen liegt, dann lass sie in Ruhe. Ich möchte nicht, dass du in die Nähe meiner Tochter kommst.“
„Kein Problem.“ Doch der Pastor hatte die Tür schon wieder hinter sich geschlossen.
„Ein wirklich ganz bezaubernder Mann“, kommentierte May ironisch.
„Ja, nicht wahr? So war er schon immer.“ James versuchte, einen gleichgültigen Eindruck zu machen, doch seine angespannte Körperhaltung verriet ihn. „Manche Dinge ändern sich eben nie.“
„Und, wirst du nun zu ihr gehen?“, hakte May nach. „Ihre Eltern sind ja jetzt fort.“
„Nein.“ Schon vor Pastor McClellands unerfreulichem Besuch hatte James diese Entscheidung getroffen. „Man soll die Vergangenheit ruhen lassen. Außerdem will sie mich nicht sehen.“
„Das behauptet aber nur ihr Vater“, warf May ein. „Wir wissen nicht, ob es stimmt. James, du warst vollkommen fertig, als sie eingeliefert wurde.“
„Ja, es war ein Schock für mich.“ James zuckte die Schultern. „Schließlich waren wir mal verheiratet. So gefühllos bin ich nun auch wieder nicht.“
„Du bist überhaupt nicht gefühllos! Ich nehme an, du hast sie damals geheiratet, weil sie schwanger war?“
Er nickte.
„Und dann hat sie das Baby verloren.“
„Ja.“ Seine Stimme zitterte leicht. „Lorna ist völlig ausgeflippt, als sie bemerkte, dass sie schwanger war. Sie sagte, ihr Vater würde furchtbar zornig sein und ihr das niemals verzeihen. Ich versuchte natürlich, sie zu beruhigen, und habe ihr versichert, dass ihre Eltern sich nach dem ersten Schreck bestimmt freuen würden.“
„Hat sie nie über eine Abtreibung nachgedacht?“
„Nein, keine Sekunde. Ich versprach, sie bei allem zu unterstützen und immer für sie da zu sein. Wir sind dann zu ihren Eltern gefahren, um es ihnen zu sagen. May, du kannst dir nicht vorstellen, was da los war! In meinem ganzen Leben habe ich noch nie einen Menschen so außer sich vor Wut und Hass gesehen wie ihren Vater an diesem Tag. Er hat sie angeschrien, hat sie als Hure und mich als skrupellosen Verführer beschimpft und stundenlang getobt.“
Er holte tief Luft. „Doch es ging ihm überhaupt nicht um Lorna oder ihre Zukunft. Das Einzige, worum er sich Sorgen machte, war die Frage, was seine Gemeindemitglieder nun wohl von ihm und seiner Familie denken mochten. Die Schande, wie er es nannte, war für ihn eine persönliche Beleidigung. Er zwang uns, die Schwangerschaft geheim zu halten, und hat sofort einen Hochzeitstermin festgelegt. Es war alles so schrecklich, dass wir nach London gezogen sind, um endlich nicht mehr in seiner Nähe sein zu müssen.“
„Oh James! Ich kann mir gut vorstellen, wie schlimm das für euch gewesen sein muss.“ Mitfühlend schüttelte May den Kopf.
„Nein, May, ich glaube nicht, dass du das kannst“, widersprach James wütend. „Niemand kann sich die Gemeinheit dieses Menschen vorstellen.“
Doch May ließ sich nicht so leicht über den Mund fahren. „Ich denke schon, dass ich es mir vorstellen kann. Ich habe über zehn Jahre in der Gynäkologie gearbeitet. In dieser Zeit musste ich zweimal wunderschöne, junge Frauen aufbahren, die versucht hatten, ihre Schwangerschaften selbst zu beenden, weil sie sich nicht trauten,
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