Von Ratlosen und Löwenherzen
nützte nicht viel.
Um seine unwilligen englischen Untertanen zur Räson zu bringen, ließ William im ganzen Land Burgen erbauen. (Bis zum Jahr 1100 waren es sage und schreibe 6000.) Das ging oft rasant schnell, denn die meisten Burgen wurden nach einem einfachen Prinzip errichtet: Ein ringförmiger Graben wurde ausgehoben und die Erde des Aushubs zu einem Hügel – »Motte« genannt – aufgeschüttet. Auf der Motte baute man einen hölzernen Burgturm, rundherum errichtete man einen Palisadenzaun. Und fertig. In manchen Fällen wurde aber auch aufwändiger gebaut, zum Beispiel am Ostrand von London, wo William schon bald nach seiner Krönung eine steinerne Burg von bislang ungekannten Ausmaßen in Auftrag gab, die er, in einem seltenen Anfall von Prunksucht, aus hellem Stein errichten ließ. Dieser »weiße Turm« wurde um 1086 fertig und ist bis auf den heutigen Tag das Herzstück des Tower of London.
Die Standorte der Burgen wurden nach strategischen Gesichtspunkten ausgewählt. Die Engländer, die das Pech hatten, auf dem ausgesuchten Areal zu wohnen, wurden ohne Entschädigung vertrieben. Ebenso erging es den Bewohnern der Wälder, die William für die Krone beschlagnahmen ließ. Und wer nicht schnell genug verschwand, bekam noch ein paar Beulen mit auf den Weg in die wenig rosige Zukunft.
White Tower
William der Eroberer war ein hervorragender Stratege und effizienter Administrator, aber sein Mangel an Menschlichkeit war eine der Ursachen dafür, dass die Einführung der neuen Ordnung nur mit viel Blutvergießen durchzusetzen war.
Die Menschen im Norden Englands taten sich noch schwerer damit als ihre südlichen Nachbarn, sich den Normannenunterzuordnen, und so kam es 1069 zu einer furchtbaren Katastrophe.
Edgar »Ætheling«, der bereits erwähnte letzte Prinz des angelsächsischen Königshauses, war nach Schottland geflohen und hatte seine Schwester Margaret mit dem König von Schottland verheiratet. Sie schickten dem König von Dänemark, wieder mal ein Sven, einen Boten, und fragten ihn, ob er ihnen nicht helfen wolle, die Normannen aus England zu verjagen. Sven fand, das sei eine großartige Idee, und schickte seine Söhne mit einer Flotte. Sie segelten den Humber hinauf, während die Schotten von Norden kamen. Gemeinsam marschierten sie in York ein, das ihnen jubelnd die Tore öffnete. Die Stadt war ja schon unter König Alfred von Dänen besiedelt worden, und ihre Einwohner fühlten sich den Wikingern daher viel näher als den verhassten Normannen. Deren Burg in der Stadt wurde eingenommen, die Garnison niedergemetzelt, und in dem allgemeinen Tohuwabohu ging die ganze Stadt in Rauch auf.
William führte eine Armee nach Norden – so schnell, dass selbst seine Feinde diesen Marsch mit Harold Godwinsons legendärer Durchquerung Englands verglichen. Und dann kamder König im Zorn über die bedauernswerten Menschen im Norden: Er jagte die Schotten zurück über die Grenze, und auch die Dänen mussten sich ins unzugängliche Marschland zurückziehen. Um ihnen für den nahenden Winter jeglichen Nachschub zu verwehren, gab William Befehl, ganz Northumbria und Teile von Mercia, also etwa die Nordhälfte Englands, vollständig zu verwüsten. Scheunen wurden niedergebrannt und das Vieh abgeschlachtet – genau wie jeder, der sich wehrte. Die Folge war eine entsetzliche Hungersnot im Norden. Ganze Landstriche wurden komplett entvölkert, und es dauerte über zwanzig Jahre, bis die Region sich auch nur halbwegs erholt hatte. Aber William hatte sein Ziel erreicht: Die Dänen segelten nach Hause.
Auch die Angelsachsen hatten ihre Lektion gelernt. Lediglich in East Anglia scharten sich die letzten Aufständischen um einen Mann namens Hereward »the Wake«, der noch lange nach seinem Tod in Liedern und Balladen weiterlebte, die von seinem Wagemut und seiner Aufopferung für das unterdrückte Volk erzählten. Er wurde eine Kultfigur des englischen Mittelalters, bis Robin Hood ihn verdrängte, dessen Legende sich viele von Herewards (angeblichen) Abenteuern und Ruhmestaten einverleibte, sodass der arme Hereward schließlich in Vergessenheit geriet.
Doch im Frühjahr 1071 war er die letzte Hoffnung der Angelsachsen. William belagerte ihn auf der Klosterinsel Ely, und Hereward floh (woran Sie erkennen können, dass Volkshelden in der Sage immer eine Spur besser sind als in der Realität). Rund 200 seiner Getreuen wurden in Ely gefangen genommen und auf königlichen Befehl geblendet und kastriert.
Danach war
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