Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Von Ratlosen und Löwenherzen

Von Ratlosen und Löwenherzen

Titel: Von Ratlosen und Löwenherzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
witterte seine Chance und wollte den König von Frankreich besuchen. Aber seine Mutter wusste das mit schlagkräftigen Argumenten zu verhindern und drohte, ihn zu enteignen. John – kein großer Freund von Risiken – gab vorerst klein bei.
    Als jedoch im Januar 1193 die Nachricht von Richards Gefangennahme nach England kam, hielt ihn nichts mehr. Unverändert schmollend rannte John zum König von Frankreich. Richard und meine Mutter sind ja so gemein zu mir, heulte er ihm vor.
    Philip Auguste erklärte sich großmütig bereit, den Prinzen bei seiner Rebellion gegen König Richard zu unterstützen. Erstellte lediglich eine Bedingung, und Sie dürfen jetzt dreimal raten. Richtig: John musste nur Alix, den lebenden Wanderpokal, heiraten, dann stand einer Allianz nichts mehr im Wege. John unterschrieb einen dementsprechenden Vertrag, in dem er Philip Auguste auch gleich noch den normannischen Teil des Vexin überschrieb. Der gehörte zwar Richard, aber John fand es vermutlich einfach, mit anderer Leute Eigentum großzügig zu sein.
    Philip Auguste stellte eine Invasionsarmee auf, um England zu erobern, John kehrte dorthin zurück, um neue politische Freunde zu suchen und ihnen das Blaue vom Himmel herunter zu versprechen. Eleanor befestigte die englischen Häfen und verstärkte gleichzeitig ihre Bemühungen, das Lösegeld für Richards Freilassung zusammenzukratzen. Wer ihr vorwirft, sie sei dabei nicht zimperlich gewesen, hat vermutlich Recht. Aber sie war wohl der Ansicht, die Engländer würden unterm Strich ein gutes Geschäft machen, wenn sie Geld bezahlten, um Richard zurückzubekommen und John den Thron zu verwehren, und wer hätte das besser wissen sollen als sie?
    John musste bald feststellen, dass er für seine Rebellion nicht viele Freunde fand. Kaum jemand verspürte Lust, sich gegen einen Kreuzfahrerkönig aufzulehnen, denn das galt als höchst unanständig.
    Also erzählte John ihnen, der heldenhafte Kreuzfahrerkönig sei bedauerlicherweise in seinem finsteren Verlies gestorben.
    Die Richard-treuen Adligen glaubten John kein Wort und belagerten seine englischen Burgen.
    Philip Auguste sah sich das Spiel von der anderen Seite des Kanals ein paar Monate lang stirnrunzelnd an und blies die Invasion dann genervt ab. Da versprach John ihm die ganze Normandie östlich der Seine. Na ja, fand der König von Frankreich, dann sieht die Sache natürlich schon wieder etwas anders aus. Gemeinsam machten sie sich daran, zumindest schon mal die Normandie zu erobern und dem Richard-treuen Adel zu entreißen, und sie versuchten, Kaiser Heinrich zu bestechen, Richarddoch bitte noch ein bisschen länger in Haft zu behalten. Am besten für immer.
    Aber Richard war nicht untätig gewesen. Mit Unterstützung seiner Mutter machte er dem Kaiser ein unwiderstehliches Angebot: Er »schenkte« ihm England und seine französischen Besitzungen, unter der Voraussetzung, dass Heinrich sie ihm anschließend als kaiserliches Lehen zurückgab. Au ja, so machen wir ’s, entschied der Kaiser. Aber das Lösegeld kriege ich trotzdem …
    Er bekam sein Geld, Richard bekam sein Eigentum als Lehen zurück und wurde Anfang 1194 freigelassen.
    Inzwischen hatte der Erzbischof von Canterbury John exkommuniziert, und der Kronrat hatte die Enteignung des Prinzen verfügt. Bis auf zwei englische Burgen hatte John alles verloren. Als Richard in der Normandie landete, verlor der Prinz schließlich auch noch die Nerven, kündigte Philip Auguste kurzerhand die Freundschaft, eilte zu Richard nach Lisieux, warf sich ihm zu Füßen und flehte um Vergebung. »Hab keine Furcht, John«, soll Richard geantwortet haben. »Nicht du bist schuld, sondern die schlechten Einflüsse, denen du ausgesetzt warst. Du bist ja noch ein Kind.«
    Das »Kind« war siebenundzwanzig Jahre alt. Aber wir sprachen ja schon von diesem fanatischen Familiensinn, der so manchen englischen König blind machte und in Schwierigkeiten brachte. Richard verzieh John aus dem einen Grund, gegen den er machtlos war: Er war eben sein Bruder.
    Am 13. März landete der König in Sandwich, machte einen Umweg, um an den Heiligenschreinen in Canterbury und Bury St. Edmunds zu beten und ging dann weiter nach Nottingham. Die dortige Burg war die letzte, die noch von Johns Truppen gehalten wurde. Als Richard kam, fiel sie natürlich, und zwar schon am 28. März. Ostern verbrachte der König in Winchester, wo er sich Hof und Volk mit der Krone auf dem Haupt zeigte, doch schon am 12. Mai segelte er in die

Weitere Kostenlose Bücher