Von Ratlosen und Löwenherzen
das nicht weiter, und wo er den neuen Beinamen schon mal hatte, segelte er weiter nach Zypern und nahm auch das ein. In Limasol heiratete er noch hurtig seine neue Braut Berengaria (die nie ein Kind von ihm bekam), dann machte er dem zypriotischen König Isaak die Hölle heiß. Der musste sich schließlich ergeben und stellte als einzige Bedingung, Richard möge ihn doch bitte nicht so weit demütigen, ihn in Eisen zu legen. Würde mir doch niemals einfallen, ließ Richard ausrichten und gab umgehend Hand- und Fußketten aus Silber in Auftrag.
Richard I. und Saladin bei ihrem Lieblingssport
Die Kriegskasse mit den Schätzen aus dem reichen Zypern vortrefflich aufgefüllt, gelangte Richard 1191 endlich ins Heilige Land. Seit sage und schreibe zwei Jahren belagerten die Kreuzfahrer die mächtige Festung von Akkon – als Richard zwei Monate dort war, fiel sie. Er vollbrachte große Taten im »Heiligen Krieg«, die seinen Ruf als größter Ritter seines Zeitalters festigten, aber er beging auch furchtbare Gräuel. Als Sultan Saladin seine 3000 Kämpfer, die nach dem Fall von Akkon freikommen sollten, nicht zum vereinbarten Zeitpunkt abholte, ließ Richard sie allesamt abschlachten. Zugegeben, er musstedringend abziehen und konnte sie schlecht einfach zurücklassen, da sie sich bewaffnen und ihm in den Rücken hätten fallen können. Aber wenn er sich ein bisschen mehr Mühe gegeben hätte, hätte er bestimmt eine bessere Lösung finden können.
Trotz allem schätzte Saladin ihn sehr, wie Chronisten von beiden Seiten einhellig versichern. Sie wurden fast so etwas wie Freunde. Irgendwie waren sie wohl seelenverwandt.
Philip Auguste hatte bald genug davon, im Schatten des strahlenden, inzwischen verhassten Königs von England zu stehen, machte sich auf den Heimweg und begann, kaum zu Hause, mit Richards widerlichem kleinen Bruder John zusammen Ränke zu schmieden.
Richard hörte zwar von diesem Komplott, aber er blieb trotzdem im Heiligen Land, weil er es nicht fertigbrachte, die Rückeroberung Jerusalems aufzugeben. Doch die Kreuzfahrer waren untereinander zerstritten. Jeder hatte seinen eigenen Vorteil im Sinn und kochte sein eigenes Süppchen. Schließlich musste Richard einsehen, dass er niemals siegreich in Jerusalem einziehen würde. Es heißt, als er einmal auf einen Hügel ritt und die Heilige Stadt plötzlich zu seinen Füßen lag, hob er den Schild vor die Augen, damit er nicht sehen musste, was er nicht haben konnte.
Im Herbst 1192 handelte Richard mit Saladin einen dreijährigen Waffenstillstand aus, der christlichen Pilgern freien Zugang nach Jerusalem zusicherte, und trat den Heimweg an. Doch vor Istrien erlitt er Schiffbruch, und schließlich irrte er mit nur drei Getreuen unweit von Wien durch die Wildnis. Herzog Leopold von Österreich, mit dem Richard sich auf dem Kreuzzug verkracht hatte, nahm ihn gefangen und lieferte ihn schließlich an Kaiser Heinrich VI. aus, der wegen dieser leidigen Geschichte in Sizilien noch ein Hühnchen mit dem König von England zu rupfen hatte. Er sperrte ihn in eine Festung und forderte ein astronomisches Lösegeld.
Es sah so richtig finster aus für König Richard.Unterdessen hatte der widerwärtige Prinz John Richards kreuzzugsbedingte Abwesenheit ausgenutzt, um Intrigen gegen seinen Bruder zu spinnen. Dabei hatte Richard ihn nach seiner Krönung mit so großen Ländereien auf beiden Seiten des Kanals belehnt, dass John eigentlich hochzufrieden hätte sein können – jedenfalls für einen Prinzen mit dem Beinamen »Ohneland«. Aber John gehörte wohl zu den Menschen, die einfach niemals zufrieden sein können und immer glauben, die Welt sei ihnen etwas schuldig.
Was ihm an Richards Verfügungen am allerwenigsten gefiel, war die Thronfolge. Denn nicht John stand an erster Stelle, sondern ihrer beider Neffe Arthur, der Sohn ihres verstorbenen Bruders Geoffrey von der Bretagne. Das war nach dem Erstgeburtsrecht nur folgerichtig, denn Geoffrey war ja älter gewesen als Richard und John, ergo kam sein Söhnchen vor John an die Reihe.
Prinz John fand das aber ganz furchtbar unfair. Unterstützt von seinem Halbbruder, dem Erzbischof von York, überzeugte er ein paar Adlige in England, die ihn als Thronerben anerkannten. Es kam zu kleineren Keilereien zwischen den Arthur- und den John-Anhängern, aber Königin Eleanor verstand es, die Krise unter Kontrolle zu bringen.
Dann kam Philip Auguste vom Kreuzzug zurück – immer noch schäumend vor Wut auf Richard. John
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