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Von Ratlosen und Löwenherzen

Von Ratlosen und Löwenherzen

Titel: Von Ratlosen und Löwenherzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Ehebrecher gleich«. Die Logik hinter dieser Behauptung wollen Sie sich bitte selbst suchen.
    Ebenso eine Todsünde war ehelicher Verkehr während der Schwangerschaft oder Menstruation (was zu aussätzigen Kindern führte, glaubte man). Außerehelicher Sex war natürlich immer verboten, war nicht nur Ehebruch, sondern Unzucht. Als noch schlimmer in der Hitliste der fleischlichen Sünden galt jedoch die Masturbation, und noch viel schlimmer war Homosexualität. Sie war den kirchlichen Moralwächtern gerade deswegen solch ein Dorn im Auge, weil die Herren natürlich genau wussten, was sich hinter den Klostermauern abspielte, wo Männer und Jungen in isolierten Gemeinschaften auf engstem Raum zusammenlebten. Ein einflussreicher Gelehrter, der gegen die Homosexualität wetterte, fand sie im wahrsten Sinne des Wortes unaussprechlich, denn er beschrieb sie als »die Sünde, die nicht genannt werden darf«, weswegen sie auch als die »stumme Sünde« bezeichnet wurde. Der schon mehrfach erwähnte Erzbischof Anselm forderte König Rufus zu einer gemeinschaftlichen Anstrengung auf, um dieses Übel auszumerzen, ehe »das ganze Land sich in Sodom« verwandele. Der schwule Rufus setzte das Projekt aber nicht gerade ganz oben auf seine Prioritätenliste. Nichts passierte, und Anselm und seine Mitstreiter wetterten weiter. Dessen ungeachtet gibt es wundervolle französische Liebesgedichte, die Mönche an ihre Mitbrüder schrieben.
    Romantik spielte in der Dichtung eine größere Rolle als in der Wirklichkeit.
    Unter der normannischen Herrschaft wurden kirchliches und weltliches Recht voneinander getrennt, und beide Gerichtsbarkeiten setzten auf strenge Zucht. Aber nach Lage der Gerichtsakten dürfen wir schließen, dass die Engländer nur wenig Neigung verspürten, den kirchlichen Anstandsregeln zu folgen.Es kam gar nicht so selten vor, dass ein Mann mit einer Geliebten eine zweite Familie gründete. Solche Fälle sind vor allem wegen der daraus resultierenden Erbstreitigkeiten belegt. Bischöfe hatten Mätressen und sorgten dafür, dass ihre Bastarde lukrative Kirchenämter bekamen. Und die Adligen machten sowieso, was sie wollten. Wer aber die Frau eines anderen verführte oder vergewaltigte, tat das auf eigene Gefahr, denn der geschädigte Ehemann hatte das Recht, den Verführer zu kastrieren und somit dafür zu sorgen, dass es nicht wieder passierte.
    Genau wie der König schickten auch die Bischöfe Reiserichter durchs Land, um Verstöße gegen die Gesetze der Kirche und moralische Verfehlungen zu ahnden. Auch sie verhängten gern Bußgelder, denn ebenso wie die Krone waren auch die Bischöfe für jede Einnahmequelle dankbar. Die kirchlichen Richter konnten den überführten Sündern aber auch Bußprozessionen oder Wallfahrten aufbrummen oder sie an einen Karren binden und mit Peitschen durchs Dorf treiben lassen.
    Vergewaltigung war einer von zwei Straftatbeständen, den eine Frau selbst vor den Richter bringen durfte (der andere war die Ermordung ihres Mannes, und beide fielen in die Zuständigkeit der weltlichen, sprich königlichen Gerichtsbarkeit). Viele solcher Klagen sind allerdings nicht belegt, und das ist kein Wunder, denn die Geschädigte musste nach der Tat ins nächste Dorf laufen und den beiden angesehensten Männern dort die sichtbaren Spuren des Verbrechens zeigen. Diese Zeugen sollten dann auf dem nächsten Grafschaftsgericht für sie aussagen. Diese Vorschrift der Beweisführung dürfte viele Opfer abgeschreckt haben. Und selbst in den Fällen, da die Frauen den Mut fanden, das Verfahren auf sich zu nehmen, ist nicht eine einzige Verurteilung belegt. In den Augen der meisten Richter war das Vergehen bestenfalls ein Kavaliersdelikt, und Schuld hatte grundsätzlich sowieso die Frau, weil schließlich Eva die Sünde in die Welt gebracht hatte. Ein außergerichtlicher Vergleichmit einer Schadenersatzzahlung war das Beste, was die Klägerin zu erhoffen hatte. Öfter wurde das Problem aus der Welt geschafft, indem Täter und Opfer miteinander verheiratet wurden.
    Vergewaltigung in der Ehe war natürlich kein Straftatbestand. Und wurde eine Frau Opfer eines sexuellen Übergriffs durch einen Priester oder einen Angehörigen einer höheren sozialen Schicht, dann war das Beste, was sie tun konnte, den Mund zu halten. Niemand im 12. Jahrhundert erwartete, dass das Leben gerecht sein müsse, oder glaubte, dass alle Menschen gleich seien. Hier auf Erden war ja sowieso das Jammertal, und die Seinen belohnte der Herr im

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