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Von Ratlosen und Löwenherzen

Von Ratlosen und Löwenherzen

Titel: Von Ratlosen und Löwenherzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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unterstützte die Witwe und Waisen finanziell,wenn es nötig war, und half bei der Beschaffung eines neuen Ehemannes, falls gewünscht. War die Witwe aber selbst kundig in den Geschäften ihres verstorbenen Mannes, konnte sie diese auch allein weiterführen und sogar Gildemitglied werden. Höhere Ämter in der Gilde oder der Stadtverwaltung waren Frauen allerdings verwehrt.
    So wie die Gilden der Kaufleute funktionierten auch die Zünfte der Handwerker, die ebenfalls einen Aufschwung erlebten, was unter anderem daran lag, dass es in der Woll- und Metallverarbeitung einige technische Neuerungen gab, die zu einer erhöhten Nachfrage an Facharbeitern führte.
    Woll- und Tuchhändler gehörten zu den mächtigsten Kaufleuten.
    Die Mitglieder der Gilden und Zünfte bildeten die bürgerliche Oberschicht, die sogenannten »Freien« der Stadt. Aus ihnen setzte sich der vierundzwanzigköpfige Stadtrat zusammen, der wiederum aus seinen Reihen die beiden Sheriffs und den Mayor – den Bürgermeister – von London wählte. Sie waren es auch, die die zwei Abgeordneten stellten, seit die Commons zum festen Bestandteil der Parlamente geworden waren, jede Stadt und jede Grafschaft also zwei Abgeordnete von nichtadligem Stand stellen durften. Wobei man nicht den Fehler machen darf, den Begriff »Commons« mit »einfachen Leuten« gleichzusetzen, denn die Bevölkerungsmehrheit aus Leibeigenen, Kleinbauern und Tagelöhnern war im Parlament nicht vertreten. Es war die privilegierte Mittelschicht, die die »Commons« stellte. Aber selbst das war ja schon ein beträchtlicher Fortschritt gegenüber früheren Jahrhunderten, und allein die Existenz des Parlaments – einer Kontrollinstanz, die die Macht des Königs einschränkte, an Gesetzgebungsverfahren teilhatte und an der Steuererhebung und -verteilung – war in dieser Form einzigartig in Europa.
    Diese bürgerliche Oberschicht blickte natürlich mit einiger Hochnäsigkeit auf die übrige Stadtbevölkerung herab: die kleinen Handwerker, die Lohnarbeiter, Dienstboten, Bettler, Huren, Scharlatane und sonstigen menschlichen Darreichungsformen, die das bunte Stadtbild prägten. Trotzdem gab es viel Mildtätigkeit, denn das war eine Christenpflicht, und außerdem fürchteten alle Kaufleute, in die Hölle zu kommen, weil ihre Geschäfte nicht immer ganz und gar edelmütig waren. Mit ihrer Mildtätigkeit hofften sie, Gott dazu zu bewegen, ein Auge zuzudrücken. Bei ihren Begräbnissen ließen sie daher beutelweise Pennys an die Armen verteilen, luden Bettler zu ihren Gildefesten und stifteten Armenspeisungen mit der Auflage, dass jeder, der dort eine Schale Suppe bekam, aufgefordert wurde, für die Seele des edlen Spenders zu beten.Den Wollkaufleuten war immer schon eine besondere Bedeutung zugefallen, aber um den Ausbruch des Hundertjährigen Krieges herum nahm diese Bedeutung eine neue Qualität an. Das lag zum einen daran, dass Königin Philippa aus ihrer niederländischen Heimat Weber, Walker und Färber nach England holte und die englische Tuchherstellung daraufhin in bislang unbekannter Weise zu boomen begann. Zum anderen lag es daran, dass Edward III. die Niederlande als Verbündete wollte, die nach englischer Wolle dürsteten. So erpresste er die Kooperation der niederländischen Fürsten durch ein Wollembargo, trieb die Preise in die Höhe und hofierte die englischen Wollkaufleute, damit sie ihm Geld liehen und nicht gar zu viel Wolle am Embargo vorbei nach Flandern schmuggelten.
    Manche der Coups, die Edward und die Wollkaufleute ausheckten, erlitten Schiffbruch, andere funktionierten prächtig, und einige der Kaufleute wurden steinreich. Sie kauften sich Güter auf dem Land – wo sie natürlich Schafe züchteten –, und viele kauften sich auch noch den dazu passenden Ritterschlag.
    Ein Ritterschlag war käuflich ?, werden Sie jetzt voller Enttäuschung fragen.
    Ja. Auch das hatte Edward III. sich einfallen lassen, um seine chronische Finanznot zu lindern. Er verkaufte das, was eben nur er anzubieten hatte, und zwar dementsprechend teuer. (So wie die Kommunen es heute mit uns und den Müllentsorgungsgebühren machen. Da lob ich mir doch das 14. Jahrhundert.) Aber diese etwas drollige Zeremonie, bei der der Kandidat mit dem Schwert auf einer Schulter berührt wurde, machte aus einem Mann noch keinen Ritter. Nicht wirklich. Die »wahren« Ritter, die Edward um sich scharte, mit denen er eine aussichtslose Schlacht nach der anderen gewann und sich an die runde Tafel setzte, mussten

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