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von Schirach, Ferdinand

von Schirach, Ferdinand

Titel: von Schirach, Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verbrechen
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nichts über
Danninger, aber sie hatte zwei Wochen lang Abbas' Hand jeden Tag neu verbunden.
     
    Stefanie liebte Abbas. Er war
anders als die Jungs, die sie bis dahin gekannt hatte, ernster und fremder.
Abbas tat ihr gut, auch wenn ihre Freundinnen dumme Bemerkungen machten. Jetzt
würde sie etwas für ihn tun, sie würde ihn retten. Sie fand den Gedanken sogar
ein klein wenig romantisch.
     
    Stefanie hatte nichts, was sie
verkaufen konnte. Aber sie wusste, wie hübsch sie war. Und wie alle ihre
Freundinnen hatte sie oft in der Stadtzeitung die Kontaktanzeigen gelesen und
darüber gelacht. Sie würde sich jetzt auf eine der Anzeigen melden, für Abbas,
für ihre Liebe.
     
    Bei dem ersten Treffen mit dem
Mann in dem Luxushotel war sie so aufgeregt, dass sie zitterte. Sie war
abweisend zu ihm, aber der Mann war freundlich und gar nicht so, wie sie sich
das vorgestellt hatte. Er sah sogar gut aus und war gepflegt. Es hatte sie
zwar geekelt, wie er sie angefasst hatte und wie sie ihn befriedigen musste,
aber irgendwie hatte sie es geschafft. Er war nicht anders als die Männer, die
sie vor Abbas gekannt hatte, er war nur älter. Sie hatte danach 30 Minuten geduscht und sich so
lange die Zähne geputzt, bis ihr Zahnfleisch blutete. Jetzt waren 500 Euro in ihrem Versteck in der
Kaffeedose.
    Sie lag in ihrer Wohnung auf
dem Sofa und hatte sich in ihren Bademantel eingepackt. Sie müsste das nur ein paarmal
machen, dann hätte sie das Geld zusammen. Sie dachte an den Mann aus dem Hotel,
er lebte in einer anderen Welt. Der Mann wollte sie ein- oder zweimal pro Woche
treffen und ihr jeweils 500 Euro bezahlen. Sie würde das durchhalten. Und sie war
sich sicher, dass sie keinen Schaden nehmen würde. Nur Abbas dürfte nichts
davon erfahren. Sie würde ihn überraschen und ihm das Geld geben. Sie würde ihm
erzählen, dass sie es von ihrer Tante bekommen hätte.
     
     
    Percy Boheim war müde. Er sah aus
dem Fenster des Hotels. Es war Herbst geworden, der Wind riss das Laub von den
Bäumen, die leuchtenden Tage waren vorüber, und Berlin würde bald wieder für
gut fünf Monate im Wintergrau versinken. Die Studentin war gegangen, sie war
ein nettes Mädchen, etwas schüchtern, aber das waren sie alle am Anfang. Es
war eine klare Sache, ein Geschäft. Er bezahlte und bekam dafür den Sex, den
er brauchte. Keine Liebe, keine nächt lichen Anrufe, kein anderer Quatsch. Wenn sie zu nah
käme, würde er es beenden.
    Boheim mochte keine
Prostituierten, er hatte es vor Jahren einmal versucht, es stieß ihn ab. Er
dachte an Melanie, seine Frau. Sie war der Öffentlichkeit als Dressurreiterin
bekannt, und wie viele Reiterinnen lebte sie ausschließlich für ihre Pferde.
Melanie war kalt, sie hatten sich schon lange nichts mehr zu sagen, aber sie
waren höflich zueinander und hatten sich arrangiert. Sie sahen sich nicht oft.
Er wusste, dass sie seine Studentinnen nicht dulden könnte. Und eine Scheidung
konnte er im Moment nicht brauchen, schon wegen ihres Sohnes Benedikt. Er
würde noch ein paar Jahre warten müssen, bis der Junge erwachsen war. Benedikt
liebte seine Mutter.
     
    Percy Boheim gehörte zu den
führenden Industriellen des Landes; er hatte die Aktienmehrheit an einem
Autozulieferer von seinem Vater geerbt, saß in zahlreichen Aufsichtsräten und
war wirtschaftlicher Berater der Regierung.
     
    Er dachte an die bevorstehende
Übernahme einer Schraubenfabrik im Eisass. Seine Wirtschaftsprüfer hatten
davon abgeraten, aber sie verstanden nie etwas. Er hatte schon lange das
Gefühl, dass Anwälte und Wirtschaftsprüfer immer nur Probleme schufen, aber nie
lösten. Vielleicht sollte er einfach alles verkaufen und fischen gehen. »Eines
Tages«, dachte Boheim, »eines Tages, wenn Benedikt alt genug ist.« Dann schlief
er ein.
     
    Abbas war unruhig, Stefanie
stellte in letzter Zeit seltsame Fragen. Ob er manchmal auch an andere denke,
ob sie ihm noch gefalle, ob er sie noch liebe. Sie hatte so etwas früher nie
gefragt. Bisher war sie beim Sex etwas unsicher, aber in der Beziehung
überlegen gewesen, jetzt schien sich das umzukehren. Sie schmiegte sich, wenn
sie miteinander geschlafen hatten, lange an ihn, und selbst im Schlaf hielt
sie ihn fest. Auch das war neu.
     
    Als sie eingeschlafen war,
stand er auf und durchsuchte ihr Handy. Er hatte es schon oft kontrolliert.
Jetzt gab es einen neuen Eintrag: »PB«. Er ging im Kopf alle Bekannten durch,
ihm fiel niemand mit diesen Initialen ein. Dann las er die gespeicherten

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