Von sündiger Anmut: Roman (German Edition)
bitten sollen, ehe sie gegangen sind.«
Ein wissendes Lächeln lag auf seinen Lippen, als würde er sie durchschauen. Was er auch tat, denn er wusste sehr wohl, wie verlegen sie wegen des gestrigen Vorfalls war und dass sie es möglicherweise bedauerte.
Macht nichts, dachte er und wartete, während sie vor die Tür trat, um mit einem Lakaien zu sprechen, statt einfach zu läuten. Als sie zurückkam und sich ihm gegenüber hinsetzte, zog er einen gefalteten Bogen aus der Tasche und reichte ihn ihr. »Von meiner Mutter. Sie weiß, dass du eine Verlobungsanzeige in die Zeitung setzen willst, und das sind ihre Vorschläge für den Text.«
Sie las ihn durch, ebenso die beigefügten liebevollen Glückwünsche. Natürlich kannten sie sich, doch Mrs Derby war immer sehr darauf bedacht gewesen, angesichts der Standesunterschiede die gebotene Distanz zu wahren.
»Richte ihr meinen Dank aus, Peter. Ich verspreche, die Annonce noch heute Nachmittag in die Zeitung setzen zu lassen. Hast du selbst noch irgendwelche Wünsche hinsichtlich der Formulierung?«
Er grinste. »Ich vertraue dir voll und ganz. Ich weiß, dass die Öffentlichkeit so schnell wie möglich davon erfahren sollte. Und die Männer, die dich heute besucht haben, werden wohl dafür sorgen, dass es bis zum Abend tout le monde weiß.«
Wieder richtete er den Blick auf ihren Mund, was sie schrecklich verwirrte. »Du musst mich nicht so … so durchdringend anschauen, wenn wir alleine sind«, meinte sie leise.
Er beugte sich nach vorne und stützte sich dabei mit den Armen auf den Knien ab. »Es wäre falsch, sich anders zu verhalten, wenn wir unter uns sind, Elizabeth.«
Sie presste die Lippen zusammen und nickte.
»Du magst es nicht, wenn ich dich anschaue?«
Sie zögerte.
»Du wirst seit Jahren von Männern angeschaut – das begann, noch bevor du das Schulzimmer verlassen hattest. Du solltest also langsam daran gewöhnt sein.«
»Ja, aber jetzt schaust du mich so an, Peter. Und daran bin ich nicht gewöhnt.«
Sie verstummten, weil ein Dienstmädchen den Tee auf einem Tablett hereinbrachte und vor Elizabeth abstellte. Sie schenkte wortlos ein und reichte ihm die Tasse. Seinem amüsierten Blick begegnete sie mit einem leichten Lächeln, denn ihr war gerade eingefallen, dass sie schließlich diese merkwürdige Situation heraufbeschworen hatte.
Er nahm einen Schluck und wurde ernst, starrte einen Moment auf das feine Porzellan in seiner Hand. »Elizabeth, ich möchte dich um einen Gefallen bitten.«
»In letzter Zeit scheinen wir ziemlich viel voneinander zu wollen.«
»Das ist unter Freunden häufig so.«
Weil sie schwieg, fuhr er fort: »Du hast meiner Schwester nie nahegestanden …«
Überrascht unterbrach sie ihn: »Sie und ich haben uns zwar früher einmal um eine Freundschaft bemüht, doch keine Gemeinsamkeiten gefunden.«
Er lächelte. »Glaub mir, ich mache dir keine Vorwürfe. Als Kind hat Mary Anne sich eher für Baumhäuser und Reptilien statt für weibliche Aktivitäten interessiert.«
»Ich meine mich daran zu erinnern, ebenfalls eine Zeitlang von so etwas fasziniert gewesen zu sein«, meinte sie trocken. »Oder von Wettkämpfen und Mutproben, was auch nicht gerade sonderlich weiblich ist.«
»Aber du bist reifer geworden und hast andere Interessen entwickelt«, sagte Peter.
Das vielleicht, dachte sie. Aber reif?
»Mary Annes Leidenschaft gilt jetzt dem Billard«, fuhr er fort.
Elizabeth sah ihn fragend an. »Billard?«
»Sie hat vor Kurzem sogar um Geld gespielt und gewonnen.«
»Ganz im Ernst?«, fragte Elizabeth und stichelte dann: »Ich frage mich, woher sie das wohl hat.«
Er ignorierte die spitze Bemerkung. »Du hast nicht verstanden, wo das Problem liegt. Sie tut so, als sei sie eine schlechte Spielerin, täuscht also die anderen bewusst, damit sie gegen sie setzen.«
»Ach, du liebe Güte«, murmelte sie, nachdem sie begriffen hatte, worauf er hinauswollte.
»Wenn sie so weitermacht, wird ihr Ruf bald ruiniert sein. Und obwohl sie mir versprochen hat, nicht mehr um Geld zu spielen, ist sie ganz besessen von dem Spiel und beschäftigt sich jeden Tag stundenlang damit. Sie erzählt mir dauernd, wie wichtig ihr ihre Unabhängigkeit sei und dass sie nicht heiraten wolle. Nur glaube ich, dass etwas anderes hinter ihrem rebellischen Verhalten steckt, was sie leider weder mir noch ihrer Mutter anvertraut. Könntest du es in Erwägung ziehen, sie ein wenig unter deine Fittiche zu nehmen? Ich glaube, dass eine in etwa
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