Von sündiger Anmut: Roman (German Edition)
lud schnell noch Mary Anne per Brief zu einem Einkaufsbummel ein. Bestimmt würden sie sich besser kennenlernen, wenn sie gemeinsam durch die Bond Street schlenderten, denn eigentlich mochten alle Frauen diese Art von Zeitvertreib. Sie hoffte, dass die junge Dame in dieser Hinsicht keine Ausnahme darstellte.
Dann war es höchste Zeit sich umzuziehen, damit sie nicht zu spät zu den Gibsons kam. Sie erwartete sich viel von diesem Abend, denn laut Lucys Beteuerungen würde William ebenfalls zugegen sein. Es war an der Zeit, sich ein Bild davon zu machen, wie er auf die Ankündigung ihrer Verlobung reagierte. Sie gab sich viel Mühe mit ihrem Aussehen und ließ sich von Teresa die Haare zu einer Frisur herrichten, die ihr besonders gut stand. William sollte merken, was ihm entgangen war.
Elizabeth stand mit Lucy und deren Mutter in einem kleinen, gemütlichen Salon, in dem Gemälde in warmen Farben an den Wänden hingen und überall Nippsachen herumstanden. Sie warteten auf das Eintreffen der Gibson-Brüder.
»William hat Geschäftliches in der Stadt zu erledigen«, erklärte Lady Gibson, eine mollige Frau, deren ehemals blondes Haar ergraut war.
Lucy verdrehte die Augen, ohne dass ihre Mutter es sehen konnte. Lautlos formten ihre Lippen das Wort »Pferde«, und Elizabeth musste ein Lachen unterdrücken. Ihr hatte Williams Begeisterung für Pferde immer gefallen.
Hoffentlich hatte er beim Wetten mehr Glück als beim Lenken, ging ihr plötzlich durch den Kopf, und unwillkürlich musste sie an das Rennen im Park denken, als Peter ihn abgehängt hatte. Die Erinnerung daran versetzte sie wieder an Peters Seite. Sie meinte den Wind zu spüren, der ihr Haar zauste, und den gestreckten Galopp der Pferde zu sehen.
Erschrocken rief sie sich zur Ordnung. Warum um Himmels willen dachte sie in diesem Moment an Peter?
Endlich fand das Warten ein Ende, denn William und sein jüngerer Bruder Bernard traten mit zerzaustem Haar und breitem Lächeln durch die Doppeltür. Elizabeth spürte, dass sie ganz zittrig wurde, als sie William ansah, der wie üblich übers ganze Gesicht strahlte.
Die beiden jungen Männer verbeugten sich vor ihr, ehe sie begannen, ihrer Familie die Vorzüge des Pferdes zu schildern, das sie zu kaufen beabsichtigten. Bevor sie nach unten gingen, um das Abendessen einzunehmen, warf Lucy Elizabeth einen bedeutungsvollen Blick zu und räusperte sich, damit alle sich ihr zuwandten.
»Na, hat sie etwa einen Frosch im Hals?«, scherzte Bernard und versetzte William einen Rippenstoß.
Lucy verzog das Gesicht. »Zu deiner Information: Elizabeth hat aufregende Neuigkeiten.«
Alle drehten sich erwartungsvoll zu ihr um, und sie merkte, dass sie errötete. »Obwohl die Ankündigung morgen in den Zeitungen stehen wird, kann ich es einfach nicht länger für mich behalten. Ich habe mich verlobt.«
Unwillkürlich sah sie als Erstes in Williams Richtung. Er musterte sie eingehend, und sie war sich nicht sicher, ob ein Hauch von Betroffenheit in seinen grünen Augen zu erkennen war.
»Herzlichen Glückwunsch, Elizabeth«, rief Lady Gibson, ehe William etwas sagen konnte, und schloss sie in ihre Arme.
»Herzlichen Glückwunsch«, sagten William und sein Bruder gleichzeitig. »Wer ist der Glückliche?«
Jetzt fühlte sie sich gleich besser. »Mr Peter Derby.«
Sie erkannte sofort, dass sie nicht gerade Begeisterungsstürme auslösen würde, denn Lady Gibsons Lächeln gefror, und Bernard sah sie sichtlich erstaunt mit offenem Mund an. Nur an Williams Miene änderte sich nichts, wobei sie nicht wusste, ob das ein Zeichen von Zustimmung oder von Desinteresse war. Sie hoffte Ersteres, denn schließlich war Peter ein wunderbarer Mann, der jede Frau glücklich …
Was war nur mit ihr los? Mehr und mehr gewann sie den Eindruck, dass diese gespielte Verlobung alles durcheinanderbrachte, was sie sich von der Zukunft bisher erhofft hatte.
»Sie kennen sich schon ihr ganzes Leben lang. Ist das nicht romantisch?«, sprudelte es aus Lucy heraus.
Lady Gibson fing sich wieder. »Wie wundervoll, Elizabeth. Ich hoffe, dass Sie sehr glücklich werden.«
Und dann gingen alle nach unten ins Esszimmer, wo sich die Unterhaltung erneut den Pferden zuwandte. Zum Glück kannte Elizabeth sich bei diesem Thema gut aus und konnte sich sachkundig ins Gespräch mischen, wodurch sie ihn zu beeindrucken suchte. Jedenfalls verbuchte sie den Abend am Ende als Erfolg.
Es ärgerte sie nur, dass sie sich das im Grunde genommen einreden musste. Denn
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