Von sündiger Anmut: Roman (German Edition)
sich mit der Hüfte an den Tisch und musterte sie eingehend.
»Streichen Sie den Pott immer auf diese Weise ein?«, fragte er anzüglich.
Sie richtete sich kerzengerade auf und sah ihm mit einem bewusst schüchternen Lächeln in die Augen. »Ich weiß nicht, was Sie damit meinen.«
Er sagte nichts, sondern fixierte sie bloß weiterhin mit einem leichten Lächeln, bis sie schließlich in Gelächter ausbrach. »Sie haben mich erwischt.«
»Sie sind eine Spielerin, die ahnungslose Gegner abzockt«, erklärte er langsam und mit einem leichten Anflug von Bewunderung in der Stimme.
»Komplimente ziehen bei mir nicht. Warum spielen wir die Partie nicht einfach zu Ende, Mylord?«
Er gewann, doch als sie ihm den Wetteinsatz überreichen wollte, wies er sie zurück. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich Geld von einer Dame annehmen darf. Spielen wir lieber noch eine Runde. Ich bin von Ihrer Fähigkeit, mit Fehlstößen Punkte zu scheffeln, sehr beeindruckt. Vielleicht können Sie mir ja ein paar Tricks beibringen.«
Sie sah ihn verblüfft an. Männern gefiel es normalerweise nicht, wenn sie gegen eine Frau unterlagen. Er hatte zwar nicht verloren, aber nur deshalb nicht, weil sie ihm den Sieg gelassen hatte. Trotzdem erkannte er mit Sicherheit, dass sie die bessere Spielerin war. Er durchschaute sie und wollte trotzdem weiter mit ihr spielen. Das gefiel ihr, wenngleich sie ihn nach wie vor seltsam einschüchternd fand.
Sie dachte noch an diese sonderbare Begegnung, als sie mit Elizabeth die Bond Street entlangschlenderte. Die Sonne schien von einem klarblauen Himmel, über den nur vereinzelte weiße Schäfchenwolken zogen. Das warme Wetter hatte viele Menschen in die Stadt gelockt, denn sowohl auf den Straßen als auch in den Geschäften war jede Menge los.
Auch Elizabeth hing ihren Gedanken nach. Es waren nur noch zwei Wochen, bis ihr Bruder zurückkehrte, um am Maskenball der Kelthorpes teilzunehmen. Wenn sie ihre Angelegenheiten bis dahin nicht in Ordnung gebracht hatte und Christopher von der Geschichte erfuhr, würde er die Sache selbst in die Hand nehmen und nach Gutdünken entscheiden, obwohl er behaupten würde, es sei nur zu ihrem Besten.
Sie musste endlich damit aufhören, sich vor ihren eigenen Schwächen zu fürchten. Keiner war vollkommen. Warum stellte sie an sich selbst also höhere Ansprüche als an andere? Es war besser, zu seinen Fehlern zu stehen und damit umzugehen. Immerhin wusste sie mittlerweile, dass sie das schaffte. Und bei diesem Erkenntnisprozess hatte ihr insbesondere Peter sehr geholfen. Sie sollte ihm dankbar sein.
War sie aber nicht wirklich. Vielmehr versuchte sie ihm seit gestern aus dem Weg zu gehen, da sie sich außerstande fühlte, immer wieder über das Geschehene zu reden. Sie wusste nicht mehr, was sie sich wünschte. Und das betraf auch und nicht zuletzt William, den sie doch eigentlich für sich gewinnen wollte – für den sie mit Peter zu üben vor gab. Irgendwie kam ihr das alles inzwischen sinnlos vor. Dabei würde sich am heutigen Abend eine großartige Gelegenheit bieten, denn Lucy hatte ihr mitgeteilt, dass William die Royal Italian Opera in Covent Garden besuchen würde.
Dann kam ihr ein Gedanke.
»Mary Anne?«
Die junge Frau zuckte zusammen und schenkte ihr ein leicht abwesendes Lächeln. »Ja, Lady Elizabeth?«
Sie berührte Peters Schwester am Arm. »Ich wünschte, Sie würden mich nicht so förmlich anreden. Wir können doch lockerer miteinander umgehen.«
Mary Anne nickte, erwiderte aber nichts.
»Würden Sie gerne heute Abend in die Oper gehen? Es wird Benvenuto Cellini gegeben.«
»Kommt Peter ebenfalls mit?«
»Ja, er hat sich bereit erklärt, mich zu begleiten.«
»Da meine Mutter in diesem Fall ohnehin darauf bestehen wird, nehme ich die Einladung an.«
»Diese überschwängliche Freude, mir Gesellschaft zu leisten, überwältigt mich«, meinte Elizabeth trocken.
Mary Anne sah sie belustigt an. »Höre ich da etwa Sarkasmus aus dem Mund der perfekten Lady?«
Elizabeth lächelte. »Vielleicht. Meist gelingt es mir, der Versuchung zu widerstehen und höflich zu sein, doch manchmal lasse ich mich provozieren.«
Mary Anne nickte langsam. »Wie bei dem Wettrennen hoch zu Ross.«
»Sie unterschätzen mich. Ich messe in der Tat gerne meine Kräfte.«
»Wenn Ihnen so etwas nicht fremd ist, dann wird es Sie sicher auch nicht stören, dass ich mit einem Ihrer Gäste Billard gespielt habe, während ich auf Sie wartete.«
»Ein Gast?« Elizabeth runzelte
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