Von sündiger Anmut: Roman (German Edition)
Gedanke den nächsten jagte. Sie hatte gewusst, dass Peter und William sich irgendwann begegnen würden, aber nicht damit gerechnet, dass ihr heimlicher Schwarm ihrem Freund und Liebhaber mehr Aufmerksamkeit schenkte als ihr. Beinahe wäre sie in hysterisches Gelächter ausgebrochen über diese Laune des Schicksals.
Sie begann die beiden Männer zu vergleichen. Anders als Peter, der sich immer sehr um andere sorgte – um sie, seine Schwester, seine Mutter –, schien William allein auf seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse konzentriert. Wie die meisten Männer, dachte sie, nur war ihr das früher nicht aufgefallen. Sie hatte immer geglaubt, William verändern zu können, doch als sie ihn jetzt beobachtete, während er sich mit Peter unterhielt, empfand sie Gereiztheit und Enttäuschung.
Und dann sprach er sie tatsächlich an. Sie lächelte. »Entschuldigung, William, was hast du gerade gesagt?«
»Könnte ich mich unter vier Augen mit dir unterhalten? Meine neugierige Schwester soll nichts mitbekommen. Es ist eine Überraschung.«
Lucy verzog das Gesicht, als sei sie beleidigt, aber Elizabeth merkte, dass es nur gespielt war. Sie fragte sich, ob Lucy wohl in eine bestimmte Richtung dachte, aber das konnte sie sich bei William Gibson eigentlich nicht vorstellen. Nicht mehr.
Während Peter mit Lucy über den ersten Akt redete, zog William Elizabeth ein Stück zur Seite. »Du gehst, soweit ich weiß, auch zum Maskenball der Kelthorpes, oder nicht?«
Allein bei der Erwähnung des bevorstehenden Ereignisses ging ein Ruck durch ihren Körper. An diesem Tag würde die Frist enden, die sie sich gesetzt hatte – es war der Tag der Rückkehr ihres Bruders. »Natürlich«, erwiderte sie und verbarg ihre Verwirrung. William konnte sie unmöglich darum bitten, sie zu dem Ball begleiten zu dürfen.
»Etwas Wichtiges wird an dem Abend passieren, und ich wollte dir nur einen kleinen Hinweis geben. Vielleicht bleibst du an dem Abend in Lucys Nähe, damit ihr zusammen seid, wenn ihr erfahrt, um was es sich handelt. Ich wollte dich auf jeden Fall vorbereiten, dass es eine Überraschung geben wird …«
»Du machst es ja total spannend.«
Er lächelte sie bloß geheimnisvoll an.
Ihre Neugier war geweckt. Ahnte er etwas von der falschen Verlobung? Wollte er sie vielleicht plötzlich für sich selbst?
Sie merkte, dass bei dieser Vorstellung keine Begeisterung aufkam. Überhaupt war dieser Maskenball inzwischen nur noch ein Anfang für sie. Alles schien auf diesen einen Abend zuzulaufen, und Williams geheimnisvolle Ankündigung wirkte da nur wie ein zusätzliches Problem.
Sie kehrten zu den anderen zurück, und William nahm Lucys Arm. »Zeit zu gehen, Schwesterchen. Ich muss ein paar Leute treffen.«
Lucy winkte ihnen noch einmal zu, während Elizabeth einen Seufzer ausstieß.
»Jetzt bin ich an der Reihe, mich unter vier Augen mit dir zu unterhalten«, sagte Peter.
O Gott, schon wieder. Sie sah ihn bestürzt an, doch er trug seine übliche freundliche Miene zur Schau.
»Der zweite Akt fängt gleich an«, erwiderte sie.
»Umso besser. Wir setzen uns auf eine Bank vor deiner Loge und warten, bis alle auf ihre Plätze zurückgekehrt sind.«
Und genau das taten sie auch, wobei Elizabeth viel Aufhebens um ihren Rock machte und ständig daran herumstrich, als ob sie jede Falte mit der Hand glätten müsste.
Leise meinte Peter zu ihr: »Du kannst zwar meinem Blick ausweichen, aber um die Wahrheit kommst du nicht herum.«
Sie setzte ein gekünsteltes Lächeln auf und sah ihn an. »Welche Wahrheit?«
»Dass du dich gegen deinen Willen verraten hast. Gibson ist derjenige, den du willst.«
Sie holte tief Luft und redete sich ein, dass es letztlich unvermeidbar gewesen war. Hinzu kam, dass sie Peter nichts vormachen konnte, weil er sie viel zu gut kannte.
»Warum hast du es mir nicht einfach gesagt?«, fragte er.
Er hörte sich weder wütend noch verbittert an, höchstens ein wenig traurig und enttäuscht. Oder gar eifersüchtig?
»Er wäre schließlich nichts dabei gewesen, mir seinen Namen zu nennen, und ich verstehe nicht wirklich, warum du das nicht wolltest.«
»Als ich jünger war«, begann sie vorsichtig zu erklären, »habe ich mich darüber flüsternd mit meinen Cousinen oder Lucy unterhalten. Als ich erwachsen wurde und diese Gefühle sich nicht verloren, betrachtete ich sie als ein sehr intimes Geheimnis, zumal es mir nicht gelang, sein Interesse zu wecken …« Sie hielt inne und suchte seinen Blick. »Wann
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