Von sündiger Anmut: Roman (German Edition)
dass dein Ehemann zugleich dein Freund ist? Willst du denn nicht gut mit ihm auskommen?«
»Gut miteinander auskommen ist etwas anderes, als jemandem seine Träume und Geheimnisse anzuvertrauen. So hat es bei meinen Eltern angefangen. Das Gut-miteinander-Auskommen kam später hinzu, nicht umgekehrt.«
War diese verrückte Philosophie der Grund, warum sie ihn überhaupt nie in Betracht gezogen hatte? Er wusste es nicht, raunte ihr nur heiser ins Ohr: »Ich werde dafür sorgen, dass du dich nach mir sehnst.«
»Du weißt, dass ich nicht das meine, sondern die eheliche Liebe, und die ist etwas sehr Zartes und Romantisches.«
»Und das weißt du aus eigener Erfahrung?«
»Ich habe mich informiert.«
»Und was wir gestern Abend miteinander gemacht haben …?«
»Ist nicht das Gleiche«, beharrte sie, während sie seinem Blick auswich.
»Indem du die Leidenschaft leugnest, willst du so tun, als spielte sie keine Rolle und hätte dir nicht eine Seite von dir offenbart, die du bislang nicht kanntest.«
»Es war die falsche Art Leidenschaft«, presste sie zwischen den Lippen hervor. »Unkontrolliert.«
»Wild.«
Ihre Finger bohrten sich in seinen Arm. »Lass uns nicht mehr darüber reden.«
Er beugte sich ihrem Wunsch, weil sie sich in der Öffentlichkeit befanden, aber für ihn war das Thema keineswegs erledigt.
Als der Gong zum zweiten Akt rief und sie zur Privatloge der Madingleys zurückkehrten, hörte er eine Frau »Elizabeth!« rufen.
In der Menge entdeckte er Lucinda Gibson und ihren Bruder, den Baron. Kurz huschte ein verwirrter Ausdruck über Elizabeths Gesicht.
Sofort glitt sein Blick zu dem Mann an Lucys Seite, und er unterzog ihn einer eingehenden Musterung. Mehrere Jahre jünger als er, groß und blond und grünäugig, sah er aus wie ein nordischer Gott. Seine Blicke wanderten suchend über die Besucherschar, als würde er nach jemandem Ausschau halten.
Obwohl er sie kaum beachtete, behielt Elizabeth ihr freundliches Lächeln bei, und in dem Moment wusste er es. Dies war der Mann, mit dem sie ihre Zukunft teilen wollte – und ihren Körper. Peters Gegner in jenem Krieg, der seit Menschengedenken geführt wurde, ohne dass Gibson etwas davon zu ahnen schien.
»Gefällt dir Benvenuto Cellini ?«, fragte Lucy. Dann kicherte sie. »Ich habe die richtige Aussprache lange geübt.«
Peter nickte dem Baron zur Begrüßung zu. »Gibson«, sagte er.
Lucy schaute rasch, fast schon besorgt zwischen den beiden Männern hin und her. Sie wusste es also, dachte Peter. Natürlich. Schließlich war Gibson ihr Bruder und Elizabeth ihre beste Freundin.
Der junge Mann verbeugte sich und grinste dann. »Derby, ich habe viel über Ihren Erfolg bei der Eisenbahn gehört.«
»Danke.«
»Ich würde gerne mehr zu diesem Thema erfahren.«
»Jederzeit. Gehören wir nicht demselben Club an?«
»Stimmt. Wir können uns dort unterhalten.«
Der Club war keine gute Idee gewesen, fiel es Peter mit Schrecken ein. Und prompt bekam er die Bestätigung.
Gibson grinste jetzt. »Das ist ein Ding, dieses Gemälde, das da neuerdings hängt, oder was meinen Sie?«, sagte er anzüglich und versetzte ihm einen Rippenstoß.
Peter betete, dass Elizabeth nichts davon mitbekam. Allerdings glaubte er nicht, dass der junge Narr die Wahrheit kannte, sonst hätte er das Thema kaum hier zur Sprache gebracht. Zum Glück, denn ansonsten würde er Elizabeth bestimmt sehr viel mehr Aufmerksamkeit schenken. Genau das, was sie von ihm wollte.
Peter warf ihr einen kurzen Blick zu, und obwohl sie ein bisschen blass wirkte, bewahrte sie Haltung, als sei sie daran gewöhnt, von Gibson übersehen zu werden. Wie konnte der Mann überhaupt andere anschauen, wenn sie so exotisch und verführerisch direkt vor ihm stand?
Auch wenn er seinen Gegner nun kannte, blieb die Sache problematisch und völlig widersprüchlich. Obwohl Elizabeth leidenschaftlich und rückhaltlos auf seine Zärtlichkeiten reagierte, behauptete sie den anderen zu lieben, weil diese beiden Dinge für sie nicht zusammengehörten und weil sie Angst hatte, die Kontrolle zu verlieren. Und noch wusste er keinen Weg, wie er sie von diesem falschen Weg weglocken sollte und sie dazu bringen konnte, ihre Gefühle zu akzeptieren. Es blieb ihm nichts anderes, als so viel Zeit wie möglich mit ihr zu verbringen und zu hoffen, dass sie irgendwann merkte, zu wem sie gehörte.
Elizabeth hatte das Gefühl, als sei ihr Gesicht zu einer regungslosen Maske erstarrt, während in ihrem Kopf panisch ein
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