Von sündiger Anmut: Roman (German Edition)
fragend die Stirn.
»Lord Thomas Wythorne.«
Sie erstarrte, versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen. »Ach ja, ich habe ihn kurz gesehen. Allerdings war ich spät dran und wollte Sie nicht länger warten lassen.«
»Kam er, um Ihnen seine Aufwartung zu machen?«
»Nein, er begleitete seine Mutter, die mit der meinen nahezu befreundet ist.«
Mary Anne nickte nachdenklich und richtete ihren Blick auf das Schaufenster einer Schneiderin, vor dem sie stehen geblieben waren.
Elizabeth hoffte, Mary Anne für die ausgestellten Bänder und Schleifen interessieren zu können. »Ich glaube, das Blau da würde sehr schön zu Ihrem Haar passen«, meinte Elizabeth. »Sollen wir ein Stück von dem Band kaufen?«
»Ich mag solchen Schnickschnack nicht«, erwiderte Mary Anne, deren Gedanken sichtlich ganz woanders waren. Eindringlich musterte sie ihre Begleiterin. »Es macht Ihnen nichts aus, dass ich Billard mit ihm gespielt habe?«
»Natürlich nicht. Sie haben, wie ich weiß, eine Vorliebe für dieses Spiel.« Von Peter wusste sie, dass man bei Mary Anne mit Verboten nicht weiterkam. »Hat sonst noch jemand mitgespielt?«
Mary Annes Blick wurde wachsam. »Haben Sie Angst, dass ich Sie in Verlegenheit bringe?«
Elizabeth berührte die junge Frau am Arm. »Natürlich nicht! Ich mache mir nur Sorgen um Ihren Ruf, da es von Lord Thomas heißt, dass er ein Schwerenöter sei.«
»Wirklich?« Sie gab ihre abwehrende Haltung auf, und ihre Stimme bekam einen neugierigen Klang. »Auf mich hat er gar nicht so gewirkt.«
»Und das ist ein weiterer Grund, weshalb Sie mehr am Gesellschaftsleben teilnehmen sollten. Dann lernen Sie, vor wem Sie sich in Acht nehmen sollten.«
Mary Anne zuckte die Achseln und setzte sich wieder in Bewegung.
Elizabeth wusste, dass es besser war, sie mit guten Ratschlägen nicht zu bedrängen. »Mein Schneider ist gleich die Straße herunter. Macht es Ihnen etwas aus, wenn wir da vorbeigehen, damit ich ein Kleid abholen kann?«
Die junge Frau nickte zustimmend, doch das war es dann auch. Falls Elizabeth gehofft hatte, sie würde ihrem Beispiel folgen und ein paar Musterkleider anprobieren, so sah sie sich getäuscht. Sie saß einfach da und schaute zu, wie Elizabeth umschmeichelt und hofiert wurde. Sie selbst empfand das als äußerst peinlich, weil es deutlich den Standesunterschied der beiden Frauen herausstrich. Mit einem solchen Eindruck hatte sie den Nachmittag eigentlich nicht beschließen wollen. Aber sie würde ja am Abend noch Gelegenheit haben, das wettzumachen.
Und vielleicht ließ sich endlich auch eine Klärung wegen William herbeiführen.
Kapitel 16
Am Abend promenierte Peter in der Pause mit Elizabeth am Arm durch die Gänge des imposanten Royal Italian Opera House mit seinen schönen Deckengemälden und den riesigen Kronleuchtern, die über der breiten Treppe hingen. Hier kam man hin, um zu sehen und gesehen zu werden.
Wer würde Elizabeth nicht anschauen? Sie trug ein Kleid aus blau-weiß gestreifter Seide und sah hinreißend aus. Der tiefe Ausschnitt ließ die alabasterfarbenen Schultern und den Ansatz ihres Busens frei. Es kostete Peter große Überwindung, seine Finger von ihr zu lassen. Er hatte gestern Abend nicht annähernd genug von ihr bekommen – und angesichts ihres freundlich-zurückhaltenden Benehmens befürchtete er, dass es eine Wiederholung heute nicht gab.
Trotzdem war ihr Blick, als sie ihn begrüßte, ganz weich, und das bewies ihm, dass sie sich auf das Wiedersehen mit ihm freute, obwohl sie vermutlich das Alleinsein mit ihm meiden würde. Er musste sich eben gedulden.
Allerdings reagierte sie leicht gereizt und überempfindlich, wenn Opernbesucher sie entweder missbilligend oder mitleidig musterten und damit ihr Unverständnis zum Ausdruck brachten, wie man sich nur so unter Stand hergeben konnte. Vielleicht begann auch die Scharade, die sie selbst inszeniert hatte, an ihren Nerven zu zerren.
»Am liebsten würde ich all diesen Leuten sagen, dass sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern sollen«, schäumte sie.
»Liebste, das ist ihre Angelegenheit. Du bist eine von ihnen und ich nicht.«
»Ich bin nicht mit der Vorgabe erzogen worden, dass man von mir einen Titelträger als Ehemann erwartet. Auch nicht dass ich ohne Liebe heirate, einen guten Freund etwa, und darauf hoffe, dass sich alles andere schon noch einstellt.«
Da Peter nicht wusste, ob sich das auf ihn bezog, ging er nicht direkt darauf ein. »Warum möchtest du denn nicht,
Weitere Kostenlose Bücher