Von sündiger Anmut: Roman (German Edition)
der Gerüchte, die bereits zu kursieren begonnen hatten.
Wie dem auch sei, sie freute sich über Mary Annes Annäherung, zog ihre Reitkleidung an und ließ ein Pferd satteln, um anschließend gemächlich an Mary Annes Seite, mit einem Stallburschen im Schlepptau, durch die Straßen von Mayfair zu reiten. Als sie im Hyde Park ankamen, galoppierte ihre Begleiterin sofort los, und Elizabeth musste sich alle Mühe geben, sie einzuholen. Sie schaffte es bis zum Ende des Ladies Mile genannten Reitwegs, um dann neben Peters Schwester in ein gemäßigtes Tempo zu fallen.
Mary Anne, die konzentriert nach vorne schaute, wirkte nachdenklich. Elizabeth wartete schweigend und machte sich bereits auf Vorwürfe gefasst.
»Haben Sie die Einladung zum Dinner von Lord Thomas’ Mutter erhalten?«, fragte die junge Frau und atmete tief durch.
Überrascht runzelte Elizabeth die Stirn. »Das schon, aber ich habe abgelehnt.«
»Das überrascht mich nicht. Er erzählte mir neulich, dass er vor einiger Zeit um Ihre Hand angehalten habe, von Ihnen allerdings abgewiesen worden sei.«
»Interessant, das zu hören. Normalerweise erzählt er anderen nämlich nicht von seinen Niederlagen«, merkte Elizabeth vorsichtig an.
»Den Eindruck teile ich.« Mary Anne drehte den Kopf zu ihr um. »Was mich betrifft, ich werde hingehen.«
Elizabeth wusste nicht recht, welche Antwort von ihr erwartet wurde, und tastete sich vor. »Ich denke, dass Ihre Mutter das gutheißt, oder?«
»Es geht hier nicht um sie.«
»Um was geht es dann? Wollen Sie sich selbst etwas beweisen? Mit so etwas kenne ich mich aus. Es kann einen in ziemliche Schwierigkeiten bringen.«
Elizabeth fühlte sich in ihren eigenen Lügen gefangen. Wie konnte sie Mary Anne erzählen, welche Mittel Thomas einzusetzen bereit war, um ans Ziel zu kommen, wenn sie selbst sich ähnlich verhalten und zudem noch Peter für ihre Zwecke eingespannt und ausgenutzt hatte?
»Ich will überhaupt nichts beweisen«, erwiderte Mary Anne, während sie Elizabeth musterte und gleichzeitig ihr Pferd mit leichter Hand unter Kontrolle brachte. »Er ist anders als alle Männer, die ich bisher kennengelernt habe. So selbstsicher und amüsant. Das gefällt mir an ihm.«
»Selbstsicher ist er zweifellos.«
»Ich war nur selbstsicher, wenn es um Billard ging.«
»Warum Billard, Mary Anne?«
Die junge Frau zuckte die Achseln und wich Elizabeths Blick und einer direkten Antwort aus.
»Ich wollte klarstellen, dass es nichts mit Ihnen zu tun hat, wenn ich mich mit ihm unterhalte. Sie sind mit Peters Bewunderung dermaßen ausgelastet, dass es Ihnen nichts ausmachen dürfte, wenn ich mich ein wenig mit Lord Thomas Wythorne anfreunde.«
»Peters Bewunderung?«, wiederholte Elizabeth und spürte, wie ihr eine leichte Röte in die Wangen steigen wollte.
»Keine Sorge. Euer kleiner Streit ist kein Geheimnis. Er überrascht mich nicht einmal.«
»Ach nein?« Elizabeth meinte, einen Tadel aus den Worten herauszuhören, der schmerzte. Mary Anne schien nach wie vor wenig von ihr zu halten.
»Er ist nicht die Sorte Mann, der buckelt, nur weil er die Hand einer reichen Erbin errungen hat und die feine Gesellschaft nun meint, er müsse auf Schritt und Tritt seine Dankbarkeit bekunden.«
»Oh.«
»Nicht dass Sie das von ihm erwarten. Nein, es ist das, was alle anderen denken. Aber ich weiß auch, was er für Sie empfindet. Und dass er eine Lösung für jeden Streit finden wird, weil er entschlossen ist, dass diese Beziehung klappt.«
»Was genau empfindet er denn für mich?«, fragte Elizabeth leise und etwas bänglich.
Mary Anne sah sie mit gerunzelter Stirn an. »Er hat Sie gefragt, ob Sie ihn heiraten wollen, oder nicht?«
»Nun ja, schon …«
»Er benimmt sich in Ihrer Gegenwart wie ein absoluter Volltrottel – so als seien Sie die einzige Frau im Raum. Er will Sie schon lange, Elizabeth. Sie wissen, dass er alles für Sie tun würde.«
Elizabeth spürte plötzlich einen Kloß im Hals, der ihr das Schlucken erschwerte. Was wollte sie damit sagen? James Derby hatte eine ähnliche Andeutung gemacht, doch damals wusste sie nicht, ob der ältere Bruder nicht einfach auf das perfekte Täuschungsmanöver hereingefallen war. Jetzt allerdings sehnte sie sich verzweifelt danach, Mary Annes Worte glauben zu können.
An diesem Abend machte Peter sich nicht einmal die Mühe, den Blick auf das kleine Streichquartett zu richten, das in der Gemäldegalerie von Sydney House seine Künste zum Besten gab. Er beobachtete
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