Von Tod und Wiedergeburt (German Edition)
entwickelt und die aufbauende Phase der Meditation (in der man sich auf ihre Licht-Energieformen einstellt) gut geübt hat. Es ist wie ein Himmel voll von strahlendem Licht. Manche sehen dort Lichtspiele oder Lichtpunkte, andere erleben einen Buddha oder auch hundert Buddhagestalten.
Die hier beschriebenen Belehrungen erteilte Buddha seinen nächsten Schülern. Über die Jahrhunderte wurden sie in Indien oft mündlich weitergegeben, und die Genauigkeit der Überlieferung bestätigte sich durch Vertiefung und Erinnerung der jeweiligen Übertragungshalter immer wieder. In Tibet waren dies erleuchtete Verwirklicher wie Guru Rinpoche, Marpa und die Karmapas.
Es gab zwei Überlieferungen aus Indien. Die alten Tantras [34] (das heißt Körper, Rede und Geist umfassende Geheimlehren Buddhas) erreichten Tibet in einer mit vielen Einzelheiten bestückten Form über Guru Rinpoche etwa um das Jahr 750. Sie beinhalten die in viele Sprachen übersetzten und erläuterten Bardo-Texte und beschreiben sehr genau den Ablauf der einzelnen Eindrücke und Erfahrungen in diesem Zwischenzustand sowie die Möglichkeiten derjenigen, die eine besondere buddhistische Einweihung namens Shitro bekamen. [35] Durch diese Einweihung erscheint das Unterbewusste im Zwischenzustand der letztendlichen Natur als die 100 unterschiedlichen Buddhas: 42 friedliche Formen verdichten sich dann aus dem Energiezentrum auf Herzensebene und 58 kritisch-schützende aus dem des Kopfes.
In den neuen Tantras, die um 1050 mit Marpa und der zweiten buddhistischen Welle nach Tibet kamen, werden hingegen die friedvollen wie schützenden Formen gar nicht beschrieben, denn tatsächlich können nur Hochverwirklichte so bildliche Erfahrungen festhalten. Da sie häufig in prachtvoll gemalten Thangkas dargestellt werden sowie in den Büchern vieler meiner Lehrer und Kollegen, werde ich auf deren Einzelheiten nicht näher eingehen.
Wichtiger ist, ob man zu Lebzeiten auf eine besondere Buddhaform meditiert, ihr Mantra wiederholt und die aufbauende Phase genießt. Im Zwischenzustand der Soheit wird sich diese Buddhaform als selbstentstandener Ausdruck des Geistes zeigen. Man muss sie sich nicht mehr vorstellen. Sie ist unmittelbar aufscheinende Erfahrung (das Klare Licht des Freudenzustands). Hat man sie einmal erkannt, verschmilzt man mit ihr und erlangt so Befreiung. Dieser Vorgang wird auch Phowa in den Freudenzustand genannt. Man muss dann den Zwischenzustand des Werdens nicht mehr erleben und erfährt die Früchte seiner Meditation.
Die eigene Buddhanatur erscheint also hier unverschleiert und ohne Anhaftung an ein vorgestelltes Ich in ihrem ganzen Reichtum und bringt erfüllend alle Ebenen von Raum und Erscheinung zusammen. Sie bezeugt die Einheit von Erleber, Erlebnis und Erlebtem, entschlüsselt sich immer neu und macht den Segen einer alles umfassenden äußeren und inneren Sicht der Welt erlebbar.
Menschen, die ihren Geist nicht geschult und wenig Bewusstheit »nach innen« entwickelt haben, bemerken auch diesen zweiten Teil des Bardos der Soheit nicht oder nur in blitzähnlich auftauchenden Augenblicken von grellen Farben, blendenden Lichtern, scharfen Klängen und erschreckenden Gebilden. Alles ist so strahlend und laut, dass man die Intensität nicht aushalten kann, sich vor Angst davon abwendet oder nach kürzester Zeit wieder in Ohnmacht fällt.
Die Wiedergeburt
D as erneute Aufwachen etwa zehn Tage nach dem Tod [36] eröffnet den Beginn eines neuen Zwischenzustands und den Weg in eine weltliche Wiedergeburt. Hier erobern und überdecken die Neigungen und Fehlvorstellungen vom letzten Leben den eben noch nackten Geist erneut. Jetzt kommt es darauf an, was man im letzten Leben an Eindrücken in seinem Speicherbewusstsein gesammelt hat, vor allem, ob man ehrlich zu seiner Überzeugung stand. Ebenfalls von Bedeutung ist, wie gut man gelernt hat, Erfahrungen an sich vorbeiziehen zu lassen und sie überpersönlich zu erleben. Diese Bedingungen und – in sehr glücklichen Fällen – der Segen und die Aufmerksamkeit eines Lamas entscheiden darüber, ob jetzt gute Zustände, eher dumpfe Erfahrungen oder der Anfang von schwerem Leid erlebt werden.
Wer also nicht unmittelbar von einem Menschenleben in das Kraftfeld eines Buddhas ging, erfährt in dieser Phase Erlebnisbereiche, deren Rohstoff hauptsächlich während des vorhergehenden Lebens angesammelt wurde.
Ist man sich dessen nicht bewusst und hat man nicht gelernt, seinen Geist zu steuern, setzt sich
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