Von Tod und Wiedergeburt (German Edition)
Tod hinaus zu steuern, was auf eine hohe Verwirklichung hindeutet.
2009 zeigten wir dem 17. Gyalwa Karmapa und seinen Begleitern den Hambo Lama. Alle waren von dem eindeutigen Beispiel einer Verwirklichung sichtlich beeindruckt, und ohne Worte zeigten sie ihren tiefsten Respekt.
Kalu Rinpoche (1904–1989)
Abb. 34 Kalu Rinpoche
»Bevor wir unser Leben kennen, ist es schon vorüber, und es ist Zeit zu sterben. Falls wir keine Grundlage einer festen Übung zur Verfügung haben, gehen wir hilflos in den Tod, in Angst und Schmerz.«
KALU RINPOCHE
Kalu Rinpoche [45] war nicht nur Halter der Karma-Kagyü-Übertragung, sondern auch der Shangpa-Linie, einer Schule, die von Niguma, Naropas Schwester bzw. Frau (die Gelehrten sind sich nicht ganz einig), gegründet wurde. Hannah und ich fuhren ihn im Auftrag Karmapas 1973 und 1976 durch Europa, wo er westlich des Rheins ein Dutzend Stadt- sowie Zurückziehungszentren gründete und unsere Zentren, östlich vom Rhein, segnete. Er zeigte noch an Buddhas Erleuchtungsort Bodhgaya in Indien wenige Wochen vor seinem Tod Größe und Geistesfrische, indem er die Drei-Jahres-Lama-Zurückziehungen, auf denen seit Jahrzehnten seine Arbeit fußte, kritisch unter die Lupe nahm. Wegen einer Reihe schmerzvoller Ergebnisse bei seinen Schülern forderte er, dass sie künftig vor dem Eintritt viel reifer und ausgebildeter sein müssten.
Die letzte Zeit seines Lebens verbrachte er in Sonada in den Himalaja-Vorbergen, nahe Siliguri im Tiefland Indiens, wo ihm später zu Ehren ein 33 Meter hoher Stupa neben der Hauptstraße nach Assam gebaut werden sollte. Als wir während einer seiner letzten Belehrungen dort von ihm Abschied nahmen, war er schon fast durchsichtig und lebte offensichtlich nur noch durch seinen Willen.
Während der letzten Stunden in seinem Zentrum wollten die indischen Ärzte ihn nicht in Ruhe lassen. Seine Vertrauten fanden aber einen fadenscheinigen Grund, sie aus dem Zimmer zu schaffen, dann schlossen sie die Tür und hoben Kalu Rinpoche in eine sitzende Stellung. Statt wie manche andere unserer Lehrer den Geist im Herzen zu halten, atmete er einmal tief aus und verband sich so mit dem Raum. Sein Körper behielt dadurch die ursprüngliche Größe bei. Nach seinem Tod wurde dieser getrocknet und mit Gold bedeckt. [46] Wir sahen ihn zuletzt in einem Stupa des Klosters sitzend. Er war der geborene Lehrer. Was er sagte, war einfach, leuchtete ein und blieb unvergesslich, beispielhaft wie sein Tod.
Lopön Tsechu Rinpoche (1918–2003)
Abb. 35 Lopön Tsechu Rinpoche – geboren und gestorben am Tag Guru Rinpoches
Das Ableben von Lopön Tsechu Rinpoche, der Hannahs und mein erster Lama war, beschrieb uns seine Vertraute Maggie. Sie hatte ihn über viele Jahre hinweg betreut, bis er uns alle am 10. Juni 2003 verließ.
Obwohl Bhutanese, lebte er in Nepal und wurde als Vertreter des Buddhismus sogar nach China während der harten Jahre unter Mao Tse-tung eingeladen. Seit seinem ersten Besuch in Europa 1987 bis zum Jahre 2003 unterstützte er den Aufbau des Diamantweges weltweit.
Lopön Tsechu Rinpoche blieb immer der gütige Vater unserer Arbeit. Mit seiner menschlichen Tiefe und seiner Klarsicht über Kulturgrenzen hinweg hat er zahllosen Menschen die Herzen geöffnet. Er errichtete im Westen unter anderem 19 Stupas, mehrere davon über zehn Meter hoch, nach Süden zeigend und darauf ausgerichtet, westliche Freiheiten zu schützen. Obwohl seit Jahren seine Herzleistung bei 40 Prozent lag, reiste er mehrmals mit uns um die Welt. Als er 2002 in London in das Flugzeug stieg, sagte sein Arzt: »Wenn du jetzt fliegst, wirst du sterben.« »Wenn ich nicht fliege, werde ich sterben«, antwortete Rinpoche, »mein Leben macht nur Sinn, wenn ich anderen helfen kann.« Als sein Herz nur noch mit 17 Prozent Kraft schlug und er bei unseren nahen Freunden Caesar und Yoshiko in Bangkok bleiben musste, machte er noch genaue Pläne und Verabredungen für die abschließenden Feierlichkeiten des 33 Meter großen Benalmádena-Stupas an der Südküste Spaniens im Herbst. Er arbeitete einfach weiter, so als würde er bei uns bleiben. Mit keinem Wort erwähnte er den bevorstehenden Tod und starb so ruhig und einfach, aber der Lage mächtig, wie er sich sein gesamtes Leben gezeigt hatte. Er schaute Maggie in die Augen und hörte auf zu atmen. Im Raum herrschte Frieden – doch seine Tatkraft blieb ungebrochen, und sein Kraftfeld ist bis heute bei uns.
Hannah Nydahl (1946–2007)
Abb. 36
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