Von Tod und Wiedergeburt (German Edition)
Wiedergeburten, die Tatkraft aller Buddhas.
1924 in Osttibet geboren, rettete er 1959 mit seiner beeindruckenden Flucht aus Tibet die Übertragungen und wichtigsten Reliquien seiner Linie vor den angreifenden Chinesen. Zwischen 1961 und 1965 baute er zunächst als Grundlage für die Fortsetzung der althergebrachten Lehre Tibets das große Zentrum Rumtek in Sikkim auf und bereiste dann mit seinen westlichen Schülern ab 1973 und bis zu seinem Tod im Jahre 1981 mehrmals Nordamerika und Europa, wo sich seine große Offenheit für den Laien-Buddhismus festigte. Die restliche Zeit verbrachte er vor allem in Sikkim. Durch häufige Belehrungen, Kronzeremonien und Einweihungen rettete er die Übertragungen der Kagyü-Schule. Sicher um den Westen nochmals zu segnen, wo er große Entwicklungen für seine Lehren voraussagte, und um die Wirkung des Diamantweges der Welt zu zeigen, folgte er, schon sehr krank, Mitte Oktober 1981 einer Einladung nach Hongkong und danach in die USA und starb am 5. November nahe Chicago an einem halben Dutzend tödlicher Krankheiten. Er hatte Hannah und mich genau für den 1. November nach Rumtek eingeladen, und dort kam sein Körper in einem Hubschrauber einige Tage später an. Am 20. Dezember 1981 wurde dieser, begleitet von einer hohen Zahl an Wundern, die in meinem Buch »Über alle Grenzen« beschrieben sind, verbrannt. Die letzten 18 Tage seines Lebens im Krankenhaus schenkte er der Wissenschaft und ließ die Ärzte ihre stärksten Mittel an ihm anwenden. Anfangs war Dr. Levy – ebenfalls Buddhist – noch erstaunt, dass sich sein Patient nie über Schmerzen beklagte und trotz seiner schweren Erkrankung ständig auf das Glück anderer bedacht war. Stets strahlte er eine kraftvolle und tiefe Liebe aus, kümmerte sich um das Wohl der Ärzte und des Pflegepersonals und machte Scherze. Je länger sie ihn betreuten, desto beeindruckter waren sie von ihm, und je näher der Tod rückte, desto mehr mussten alle ihr gesamtes medizinisches Weltbild in Frage stellen. Für die Beteiligten war es eine ständige Belehrung, was ein einsgerichteter und kraftvoller Geist alles ermöglicht. Dr. Levy hatte zum Beispiel das Gefühl, dass Karmapa bewusst seinen Tod hinauszögerte, damit sich alle damit vertraut machen und den Verlauf beobachten und daraus lernen konnten. Karmapa erfuhr offensichtlich seinen Körper als ein Werkzeug und wollte damit seinen Schülern und der Welt etwas Wichtiges beibringen. Seine Anteilnahme für andere hielt dabei bis zum letzten Augenblick an. Insbesondere für Ärzte und Pflegepersonal war das oft ungewöhnlich, denn statt wie üblich einem armen, schwachen, hilfebedürftigen Patienten zu begegnen, war Karmapas Aufmerksamkeit stets liebevoll auf alle anderen gerichtet. Seine Strahlkraft und Wärme blieben völlig unverändert und überwältigten alle Besucher und das Klinikpersonal, selbst als sein Körper immer schwächer wurde und er schließlich im Sterben lag. Normalerweise vermeidet das Personal auf einer Intensivstation eine enge persönliche Beziehung mit den Patienten, um professioneller arbeiten zu können. Doch bei Karmapa war alles anders: Jeder war tief ergriffen. Sein Geisteszustand hatte eine unglaubliche Kraft und Unerschütterlichkeit, die auf jeden ausstrahlte und die sich niemand erklären konnte. Seine Gegenwart ließ niemanden ungerührt, und man konnte einfach nicht verstehen, dass Karmapa ungeachtet seiner Schmerzen sich ganz anders verhielt, als Sterbende es sonst tun.
Nach einigen Tagen verschlimmerte sich Karmapas Zustand drastisch. Er hatte Atemschwierigkeiten, hustete Blut, und sein Blutdruck fiel rasch ab. Aus medizinischer Sicht wiesen alle Symptome auf einen baldigen Tod hin, weshalb Dr. Levy die vorhandenen Linienhalter aufforderte, ihren letzten Besuch bei Karmapa zu machen. Eine Dreiviertelstunde später verließen diese jedoch völlig entspannt sein Zimmer und erzählten, dass Karmapa über ihren »Abschiedsbesuch« gelacht und ihnen fröhlich erklärt habe, dass er noch nicht vorhätte zu sterben. Als Dr. Levy das Zimmer betrat, saß Karmapa mit weit offenen Augen aufrecht in seinem Bett und fragte ihn nach seinem Befinden. Innerhalb einer halben Stunde hatte er aufgehört zu bluten, und alle seine Vitalwerte waren wieder stabil und auf normalem Niveau. Karmapas Willenskraft war offensichtlich so stark, dass er bestimmen konnte, wann er den Körper verlassen wollte. Und bisher war er noch nicht bereit dazu.
Zehn Tage später fiel
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