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Von Traeumen entfuehrt (eShort)

Von Traeumen entfuehrt (eShort)

Titel: Von Traeumen entfuehrt (eShort) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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Verstand dafür gratulieren möchte, mein Liebesleben in so klaren Bahnen zu halten, bin ich doch gleichzeitig fast eifersüchtig darauf, wie tief Vincents Gefühle für Kate sind. Mal abgesehen von der wirklich leidenschaftlichen Loyalität, die ich für Vincent und meine Anverwandten empfinde, habe ich so etwas noch nie gespürt. Und insgeheim bin ich sogar erleichtert, dass Kate nicht bei uns rumhängt, weil ein Teil von mir fürchtet, sie wäre mir sonst noch mehr ans Herz gewachsen.
    Weil ich nicht weiß, wie ich meinem Freund sonst helfen kann, bin ich einfach so oft in seiner Nähe wie möglich. Dabei fällt ihm weder meine Anwesenheit noch die von anderen großartig auf. Aber ich möchte einfach da sein, falls er doch irgendwann merkt, dass er mich braucht.
    Das Einzige, was den Trauerschleier ein wenig von La Maison lüftet, sind Charles‘ Launen. Er verschwindet immer wieder, und nicht mal seine Zwillingsschwester weiß, was er dann im Schilde führt.
    Also folgen Charlotte und ich ihm und finden heraus, dass er einer Sterblichen nachstellt. Über mehrere Stunden täglich läuft er einer Frau hinterher. Wie sich herausstellt, ist sie die Mutter des Mädchens, das bei dem Bootsunfall starb. Des Kindes, das er nicht hatte retten können. Er beobachtet, wohin sie geht, und schleicht sich zu ihr ins Haus, um ihr Blumen und Geschenke vor die Wohnungstür zu legen. Anonym, versteht sich.
    Sein Schuldgefühl ist stärker als seine Selbstbeherrschung. Und selbst nachdem Charlotte, Ambrose und ich einzeln mit ihm sprechen – in dem Versuch, ihn zur Vernunft zu bringen – rutscht er immer tiefer hinein und wird so über kurz oder lang ziemlich tief in der Scheiße stecken.
    Dass er der Beerdigung des Mädchens beiwohnt, bringt das Fass zum Überlaufen. Charlotte geht zu JB und weiht ihn ein. Und nachdem JB so etwas wie eine Bewährungszeit verhängt, flippt Charles aus. Er tobt und schreit, dass es ihm reicht, dass er aufhören will. Und dann verschwindet er. Wir suchen ihn, tagelang, doch selbst mit der Unterstützung aller anderen Pariser Anverwandten können wir ihn nicht finden.
    Ungefähr zur gleichen Zeit belauscht Charlotte zufällig Kates Schwester und ihre Großmutter in einem Café und erfährt, dass es Kate genauso schlecht mit der Trennung geht wie Vincent. Beide machen sich große Sorgen um sie.
    Charlotte sitzt mir dabei in meinem Atelier auf der grünen Couch gegenüber und nippt vorsichtig an dem dampfenden Tee, den ich ihr gebracht habe. »Georgia hat sogar vorgeschlagen, nach New York zurückzukehren«, sagt sie abschließend.
    Wieso bleibt mir das Herz stehen, als sie das ausspricht? Kate auf der anderen Seite des Ozeans? Das übersteht Vincent nicht , denke ich. Und dann merke ich, dass es gar nicht die Sorge um meinen besten Freund ist, die sich da so extrem äußert. Ich selbst will nicht, dass Kate Paris verlässt. Ich will, dass sie wieder zurückkommt zu uns, in unsere Mitte, auch wenn das heißt, dass wir uns nie wirklich nah sein werden – Freunde, nicht mehr als Freunde , erinnere ich mich. Dabei habe ich sie wirklich gern. Man könnte sogar sagen, ich … Aber diesen Gedanken verdränge ich, sage lieber: »Wir müssen Vincent einweihen.«
    »Das war auch mein erster Gedanke. Aber dann habe ich mich gefragt, was er denn wohl ausrichten kann.« Besorgnis zeichnet sich auf ihrer Stirn ab.
    »Ihm wird schon etwas einfallen«, sage ich. »Er kämpft ja bloß nicht um sie, weil er davon überzeugt ist, dass es ihr ohne ihn besser geht. Prinzipiell hat er da ja recht. Da sie im Moment aber genauso leidet wie er, soll er es erfahren.«
    Wir verlassen mein Atelier und folgen den fast labyrinthisch verlaufenden, gepflasterten Straßen, vorbei an mittelalterlichen Fachwerkhäusern, die schon ganz schief stehen, so viele Jahre haben sie auf dem Buckel. Charlotte hakt sich bei mir unter und so schlendern wir zum Fluss.
    »Was glaubst du, wo er steckt?«, fragt Charlotte, nachdem wir ein wenig geschwiegen haben. Ich weiß sofort, wen sie meint.
    »Ich glaube, Charles ist noch hier in Paris. Der hält sich bloß versteckt, weil er ein bisschen Abstand braucht.«
    Charlotte nickt. »Ich wünschte, er hätte Madeleine nie kennengelernt«, murmelt sie. »Er hat sich nie wieder verliebt, dabei ist das sechzig Jahre her. Irgendwie ist es bescheuert, zu glauben, dass es wirklich nur genau einen Jungen oder ein Mädchen für jeden von uns geben soll, aber es wirkt …« Sie verstummt, lässt diesen

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