Von Traeumen entfuehrt (eShort)
getroffen, um sie zu fragen, wie das geht, als Revenant mit einem Sterblichen verheiratet zu sein. Das Thema hat sie aufgewühlt, deshalb habe ich sie getröstet. Eine total harmlose Geste, du weißt wie ich zu ihr stehe …«
»Sie ist wie eine Schwester für dich. Was ist denn passiert?«, muntere ich ihn zum Weitererzählen auf. Er setzt sich aufs Sofa und verbirgt das Gesicht in den Händen. »Kate hat uns gesehen. Und ihre Miene … Jules, sie muss davon ausgehen, dass Gen und ich zusammen sind.«
Ich schweige kurz. Frage dann: »Ist das denn so schlimm?«
Vincent lässt seine Hände sinken. »Ja, na sicher ist das schlimm, Jules. Sehr schlimm sogar. Sie ist verletzt. Ich habe Kate verletzt.«
»Verstehe.« Dabei habe ich keine Ahnung, was er von mir will.
»Du musst mit ihr reden. Für mich. Du musst ihr sagen, dass ich auf der Suche nach einer Lösung bin. Und das da nichts läuft zwischen Geneviève und mir.«
Nein , denke ich. Das kannst du nicht von mir verlangen! Es war hart genug, sie in den vergangenen beiden Wochen aus der Ferne zu beobachten. Das Letzte, was ich jetzt brauche, ist ein Treffen von Angesicht zu Angesicht. Das wird mich nur daran erinnern, wie wahnsinnig viel mir an ihr liegt. »Und das kannst du nicht selbst machen, weil …?«, bohre ich nach.
»Ich glaube kaum, dass sie unter diesen Umständen bereit ist, sich überhaupt mit mir zu treffen«, sagt er und presst sich die Finger gegen die Schläfen. »Du hättest ihr Gesicht sehen sollen, Mann.«
Vincent ist ein Bild des Jammers. Ich kann meinem Freund nichts abschlagen, ganz egal, in welchem Zwiespalt ich auch stecke. Ich schaue ihn an, erkenne die Trostlosigkeit auf seinem Gesicht und willige ein.
»Ich kümmere mich gleich morgen drum«, verspreche ich.
Kapitel 9
I n den Morgenstunden am Wochenende liegt der Park gegenüber Kates Apartmenthaus verlassen da. Die schlafen sicher alle aus , denke ich. Eine Stunde lang lasse ich nur eine Handvoll Tauben, ein paar Krähen und die ganze Palette an Herbstfarben auf mich wirken, in denen sich die Blätter an diesem kühlen Samstagmorgen präsentieren. Nach einer Weile gelingt es der Bäckerei auf der anderen Straßenseite dann doch, mich mit ihren warmen, verlockenden Gerüchen aus meinem Versteck zu locken. Ich kaufe mir ein pain au chocolat und genieße alles daran, besonders wie die eingebackene Schokolade in meinem Mund schmilzt.
Ich warte eine weitere Stunde, bis Kate endlich in der Haustür erscheint. Dann folge ich ihr ins – Überraschung – Café Sainte-Lucie. Die Kellnerin begrüßt sie und führt sie an einen Tisch am Fenster. Um nicht den Anschein zu erwecken, ich wäre ihr nachgelaufen, flaniere ich noch eine halbe Stunde durch die Gegend, bevor ich zum Café zurückkehre. Fast lautlos gehe ich an ihren Tisch und sinke auf den Stuhl, der ihr gegenübersteht. Sie ist so gefesselt von Der Fänger im Roggen , dass sie mich nicht einmal bemerkt. Ich warte ab. Als sie das nächste Mal umblättert, lässt sie kurz den Blick durch das Lokal schweifen, kaum landet er auf mir, fällt sie beinahe vom Stuhl.
Mein Herz macht einen Purzelbaum. Ich versinke fast in diesen unfassbar schönen Augen und muss mich überirdisch beherrschen, sie nicht an der Hand zu berühren. Ich überlege, wie ich mich ihr präsentieren soll, gehe meine verschiedenen Gesichter durch und setze ein schiefes Lächeln auf. »Also, Miss America«, sage ich, »du hast wirklich geglaubt, du könntest einfach verschwinden und uns alle im Stich lassen? Na, da hast du dich aber gewaltig getäuscht.«
An ihrem Gesicht lese ich ab, dass sie sich freut – sogar erleichtert ist –, mich zu sehen. Gleichzeitig beschleunigt mein Herz um sicher zehn Schläge die Millisekunde. Ich fahre mir mit der Hand durchs Haar, in dem Versuch, mich zu beruhigen. Fast könnte man das nervös nennen. Was zum Teufel ist denn nur los mit mir?
»Habt ihr Typen nichts Besseres zu tun? Verfolgt ihr mich neuerdings? Gestern Abend Charles und heute du!«
Moment, was war das? »Du hast Charles gesehen?«, frage ich überrascht.
»Ja, er war in dem Club, in dem ich gestern war. In der Nähe von Oberkampf«, sagt sie. Ihre Augen werden schmal, als sie merkt, wie sehr mich diese Information erstaunt.
»Was für ein Club?«, frage ich.
»Kann ich dir gar nicht sagen, das weiß ich nicht. Es gab kein Schild oder so. Georgia und ihre Leute haben mich mitgeschleppt.«
Ich bekomme ein ganz komisches Gefühl bei der Vorstellung, dass
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