Von Traeumen entfuehrt (eShort)
offensichtlich wieder zueinander gefunden haben?
Diese Nacht verbringt Kate bei uns in La Maison. In Vincents Zimmer. Schläft in seinen Armen.
Und dann passiert etwas, das ich noch nie erlebt habe. Ich spüre, wie die Eifersucht in mir glüht, was mich völlig überwältigt. Ich verlasse das Haus und renne die ganze Strecke bis zu meinem Atelier, wo ich mich im Malen verliere.
Sie will mit ihm zusammen sein, nicht mit mir. Sie hält mich für einen Witz. Einen Schmeichler. Was ich natürlich mit meinem Verhalten provoziert habe. Aber sie durchschaut es nicht, so wie ein Teil von mir gehofft hatte.
Meine Gefühle für sie sind lächerlich. Vergebens. Unerwidert. Warum werde ich dann mit ihnen bestraft? Wieso kann ich sie nicht einfach vergessen? Ich habe mein Dasein den Launen und Lüsten des Schicksals geopfert. Ich bin sein Sklave. Und trotzdem verhöhnt es mich.
Verzweifelt starre ich auf das Chaos, das ich auf der Leinwand fabriziert habe, lasse mich in den Schneidersitz sinken und verharre so, den Kopf in den Händen. Ich muss mich wieder unter Kontrolle kriegen. Wenn das so weitergeht, wird dieses Mädchen von nun an Teil meines Lebens sein. Teil des Lebens in La Maison. Ich muss lernen, damit umzugehen, ohne dass ich meine wahren Gefühle zeige. Und ich muss über sie hinwegkommen. Ich krame das Handy aus der Hosentasche und rufe die erstbeste Nummer an: Evelynn.
»Hallo bella , ich weiß, ich habe lange nichts von mir hören lassen. Aber hättest du vielleicht eine Kanne heißen Tee für einen armen, einsamen Künstler?«
Ich begebe mich an den einzigen Ort, der mich auf bessere Gedanken bringen wird. In die Arme einer anderen Frau.
Kapitel 11
» C harles war bei Lucien!«, schreit Vincent förmlich, während er in die Küche stürmt, wo diesmal auch JB und Gaspard einem unserer Abendessen beiwohnen, statt wie sonst zu zweit zu essen. Jeanne hat zu diesem Anlass das gute Geschirr genommen und uns mit einem cochon de lait einen wahren Festschmaus gezaubert. Ein ganzes gebratenes Milchferkel, das normalerweise für mindestens zwölf Personen gedacht ist, aber weil Ambrose ja bekanntlich für sechs isst, wird selbst davon nichts übrigbleiben.
Wir alle verharren reglos und starren Vincent an. »Was hast du gesagt?«, fragt JB mit gepresster Stimme.
»Ich war doch heute zum Abendessen bei Kate und ihrer Familie. Da hat sie erzählt, dass sie Charles neulich mit Lucien gesehen hat. Sie sprachen vor einem Nachtclub.«
Charlotte reißt sich vor Schreck beide Hände vor den Mund und stöhnt: »Oh, nein!« Ich rutsche zu ihr und lege ihr den Arm um die Schultern. Aber ich ahne, was ihr durch den Kopf geht: Charles hat es also doch getan. Er hat die Numa gebeten, ihn zu vernichten. Zwei Gedanken überwältigen mich. Unendliche Traurigkeit, dass Charles‘ Depression ihn wirklich an diesen Punkt getrieben hat, und tiefe Wut bei der Vorstellung, wie das Schwert eines Numa ihm den Kopf abtrennt.
»Und das ist fast nicht das Schlimmste«, fährt Vincent fort. »So wie es aussieht, haben Kates Schwester und Lucien was miteinander.«
»Wie bitte?« Ambroses Stimme dröhnt durch die Küche während er den Griff seines Messers auf den Tisch krachen lässt.
»Natürlich weiß sie nicht, wer er ist. Geschweige denn, was er ist«, sagt Vincent. »Aber er scheint über unsere Verbindung zu Kates Familie informiert zu sein.«
Charlotte fängt an zu weinen, weshalb ich sie an meine Brust ziehe, wo sie laut schluchzt. JBs und mein Blick treffen sich.
»Hiermit versetze ich alle in sofortige Alarmbereitschaft«, sagt er, tupft sich mit der Stoffserviette den Mund ab und steht auf. »Alle Pariser Anverwandten werden sich unverzüglich auf die Suche nach Charles begeben. Ich verspreche dir eins, Charlotte, wir werden deinen Bruder finden.«
Aber selbst zwei Tage später gibt es weder eine Spur von ihm noch von den Numa, bis Lucien sich mit einem Ultimatum an uns wendet. Er hat Charles getötet und seine Leiche in den Katakomben deponiert. Wenn wir ihn nicht noch am selben Abend holen kommen, wird er warten, bis Charles‘ Geist erwacht und dann seine Leiche verbrennen, was heißen würde, dass Charles bis in alle Unendlichkeit sein Dasein als körperloser, volanter Geist fristen müsste.
Wir sind uns völlig im Klaren, dass das eine Falle ist. Aber wir ziehen trotzdem los. Und obwohl es uns gelingt, ein paar Numa zu töten und Charles‘ Leiche zu befreien, nutzt Lucien dieses Ablenkungsmanöver, um noch einen viel
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