Von wegen Liebe (German Edition)
schloss ich den Saturn ab und folgte Wesley zu seinem Wagen, der nicht zu übersehen war, weil kein anderer Porsche auf dem Parkplatz stand.
»Tja, Duffy«, sagte Wesley, als er einstieg. Ich kletterte auf die Rückbank, damit Amy, die offensichtlich eher der stille Typ war, neben ihrem Bruder sitzen konnte. »Jetzt wirst sogar du wohl oder übel zugeben müssen, dass ich manchmal ein richtig netter Kerl sein kann.«
»Ich habe nie das Gegenteil behauptet«, antwortete ich, während ich damit beschäftigt war, eine halbwegs bequeme Position auf der winzigen Rückbank – ohne Fußraum! – zu finden. Schließlich musste ich mich seitlich setzen und die Knie an die Brust ziehen. Porsches wurden definitiv überschätzt. »Klar kannst du nett sein, aber nur wenn es dir in irgendeiner Form einen Vorteil verschafft.«
Wesley schüttelte gespielt betrübt den Kopf. »Hast du das gehört, Amy? Ist doch nicht zu fassen, wie schlecht sie über mich denkt, oder?«
»Ich bin mir sicher, Amy weiß genau, wie du bist.«
Amy lachte, wirkte aber irgendwie nervös.
Sie sagte kaum etwas während der gesamten Fahrt, obwohl Wesley immer wieder versuchte, sie in unsere Unterhaltung mit einzubeziehen. Zuerst dachte ich, dass es vielleicht an mir lag, aber irgendwann wurde mir klar, dass sie einfach nur unglaublich schüchtern war. Als wir vor einem stattlichen Backsteinhaus hielten, drehte Amy sich zu mir um und sagte leise: »War nett, dich kennenzulernen«, bevor sie ausstieg.
»Sie ist süß«, sagte ich.
»Wenn sie nur ein bisschen mehr aus sich herausgehen würde.« Wesley blickte Amy mit leicht gerunzelter Stirn nach, wie sie die Verandastufen hinauflief. Als sie in dem großen Haus (dem anzusehen war, dass seine Großmutter ebenfalls Geld hatte, auch wenn es keine Beinahe-Villa war) verschwunden war, warf er mir einen Blick über die Schulter zu. »Worauf wartest du? Komm nach vorn.«
Ich stieg aus und setzte mich auf den Beifahrersitz. Als ich mich gerade anschnallte, hörte ich, wie Wesley laut stöhnte. »Was ist los?«, fragte ich. Aber als ich aus dem Fenster sah, kannte ich die Antwort, bevor er auch nur ein Wort sagen musste.
Eine Frau um die Sechzig war aus dem Haus getreten und kam jetzt auf den Porsche zu. Ohne Zweifel Wesleys Großmutter. Die so wenig von ihm hielt. Kein Wunder machte er ein Gesicht, als würde er sich am liebsten verstecken. Ich wurde ein bisschen nervös, als die vom Scheitel bis zur Sohle Eleganz und Kultiviertheit verströmende ältere Dame vor dem Wagen stehen blieb.
Wesley ließ das Fenster herunter. »Hi, Grandma. Wie geht’s dir?«
»Lass deine Spielchen, Wesley Benjamin. Ich bin nämlich gerade sehr wütend auf dich.« Dabei hörte sie sich gar nicht wütend an. Ihre Stimme war sanft und hell, und sie klang wie die reizendste Großmutter der Welt – nur der Inhalt ihrer Worte passte überhaupt nicht dazu.
»Was habe ich diesmal verbrochen?«, seufzte Wesley. »Die falschen Schuhe angezogen? Oder ist der Wagen heute nicht sauber genug? Welche kleine Unvollkommenheit wirfst du mir heute vor?«
»Achte auf deinen Ton, wenn du mit mir sprichst.« Wieder klang ihre samtweiche Stimme völlig anders als das, was sie sagte. Was witzig gewesen wäre, hätte Wesley nicht so unglücklich ausgesehen. »Du kannst von mir aus leben, wie du es für richtig hältst, nur zieh gefälligst Amy nicht mit hinein.«
»Amy? Was hat das denn jetzt mit Amy zu tun?«
»Ich verstehe dich nicht, Wesley«, sagte seine Großmutter und seufzte tief. »Warum lässt du Amy nicht einfach den Bus nehmen? Ich schätze es ganz und gar nicht, dass du sie nach Hause fährst, wenn eine deiner …«, sie hielt kurz inne und warf mir einen missbilligenden Blick zu, bevor sie sich wieder ihrem Enkelsohn zuwandte, » Bekanntschaften mit im Wagen sitzt. Sie könnten einen schlechten Einfluss auf deine Schwester haben.«
Schlechter Einfluss? Ich? , dachte ich verwirrt. Ich war eine Einser-Schülerin und hatte in meinem ganzen Leben noch nie in irgendwelchen Schwierigkeiten gesteckt. Wie kam diese Frau darauf, dass ich ihrer Enkeltochter in irgendeiner Form Schaden zufügen könnte?
Und dann verstand ich.
Sie dachte, ich wäre eine von Wesleys Betthäschen. Wesley hatte mir ja erzählt, was seine Großmutter von seinem »Lebenswandel« hielt und wie sie es verabscheute, dass er ständig mit einer anderen herummachte. Und weil ich in seinem Wagen saß, hielt sie mich automatisch für eines der Flittchen, die er mal
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