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Von Zweibeinern und Vierbeinern

Von Zweibeinern und Vierbeinern

Titel: Von Zweibeinern und Vierbeinern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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erklärte Mr. Preston. »Ich finde, sie sehen ziemlich nützlich aus.«
    »Das stimmt.« Ich lächelte den Männern zu und winkte grüßend mit der Hand. Sie sprangen auf die Füße und verbeugten sich.
    »In Ordnung«, sagte ich zu dem Bauern, »essen Sie nur inzwischen. Ich bin in einer halben Stunde wieder da.«
    Als ich zurückkam, führten wir die Kuh auf einen Fleck mit weichem Gras. Ihr Gang war schmerzvoll und langsam, sie zog ihr fast nutzloses Bein schleppend hinter sich her.
    Ich stülpte ihr die Maske über die Schnauze und tröpfelte Chloroform auf den Schwamm. Als sie das seltsame Gemisch einatmete, weiteten sich ihre Augen vor Überraschung, dann fing sie an zu taumeln und sank ins Gras.
    Ich schob der Kuh einen runden Holzpfahl in die Leistengegend und stellte an jedes Ende einen von den beiden größten Männern. Dann befestigte ich ein Seil an der Fußfessel und reichte das eine Ende Mr. Preston und das andere den beiden anderen Deutschen.
    Damit waren alle Vorbereitungen getroffen. Ich hockte mich über die Hüfte und legte beide Hände auf den hervorstehenden Hals des Oberschenkelknochens. Würde er hartnäckig dort bleiben, oder würde ich fühlen, wie er langsam seitwärts über die Hüftgelenkpfanne in seine ursprüngliche Lage zurückglitt?
    Wie auch immer, der Augenblick war gekommen, und ich holte tief Luft. »Zieht!« schrie ich, und die drei Männer fingen an, an dem Seil zu ziehen, während die muskulösen braunen Arme neben mir auf den Holzpfahl drückten.
    Es war bestimmt ein unerquickliches Schauspiel, dieser erbitterte Kampf mit dem schlafenden Tier in der Mitte, und sicher sah es nicht sehr wissenschaftlich aus – aber als Tierarzt auf dem Lande muß man oft »unwissenschaftlich« vorgehen.
    Nun, ich hatte keine Zeit zum Theoretisieren, ich konzentrierte mich mit aller Kraft auf den vorstehenden Knochen unter meinen Händen. »Zieht!« schrie ich wieder – und hörte die Männer abermals vor Anstrengung keuchen.
    Ich biß die Zähne zusammen. Das Ding bewegte sich nicht. Ich konnte kaum glauben, daß es dieser gewaltigen Kraftanstrengung widerstand, aber es war wie ein Fels.
    Dann, als schon das Gefühl der Niederlage sich langsam in mir breitmachte, fühlte ich, wie sich plötzlich etwas unter meinen Händen rührte. Und danach ging alles in Sekundenschnelle. Der Gelenkkopf hob sich, während ich wie wild daran schob, und dann ertönte das laute Klick, mit dem er in die Pfanne flippte. Wir hatten gesiegt.
    Ich wedelte vor Freude mit den Armen. »In Ordnung, ihr könnt loslassen!« Ich kroch zum Kopf der Kuh und streifte ihr die Maske ab.
    Wir hievten sie auf den Bauch, und sie lag blinzelnd da und schüttelte den Kopf, als sie wieder zu Bewußtsein kam. Ich konnte kaum den Augenblick abwarten, der einer der schönsten für einen Tierarzt ist: den Augenblick, als die Kuh auf die Beine kam und ohne eine Spur von Hinken über das Gras davonging. Die fünf Gesichter, schwitzend in der heißen Sonne, beobachteten es mit glücklicher Verwunderung, und obwohl ich dieses Wunder schon öfter erlebt hatte, spürte ich, wie eine warme Welle des Triumphes in mir aufstieg, wie beim erstenmal. Ich bot den Gefangenen Zigaretten an, und bevor ich ging, brachte ich meine spärlichen Deutschkenntnisse an den Mann.
    »Danke schön!« sagte ich inbrünstig und meinte es auch so.
    »Bitte, bitte!« riefen sie alle und lächelten. Das Helfen hatte ihnen Freude gemacht, und ich hatte das Gefühl, daß dies sicher eine der Geschichten war, die sie bei ihrer Rückkehr nach Hause erzählen würden.
     
    Ein paar Tage später waren Siegfried und ich auf der Village Farm, Harford. Wir waren beide gekommen, weil man uns gesagt hatte, unser Patient, ein Red Poll-Ochse, sei ein recht unbändiger Geselle.
    Der Bauer führte uns zu einem Pferch, in dem etwa zwanzig Rinder Rüben fraßen. »Das da ist er«, sagte er und deutete auf ein großes, fettes Biest. »Und das ist das Ding, weshalb ich Sie gebeten habe zu kommen.« Er zeigte auf ein Gewächs, so groß wie ein Fußball, das am Bauch des Ochsen hing.
    Siegfried sah ihn streng an. »Wirklich, Mr. Harrison, da hätten Sie uns sehr viel früher holen sollen. Warum haben Sie es so groß werden lassen?«
    Der Bauer nahm seinen Hut ab und kratzte sich nachdenklich an seinem kahl werdenden Schädel. »Na, Sie wissen doch, wie das ist. Ich hatte immer vor, Sie anzurufen, und habe es immer wieder vergessen.«
    »Jetzt ist es verdammt groß«, brummte

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