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Von Zweibeinern und Vierbeinern

Von Zweibeinern und Vierbeinern

Titel: Von Zweibeinern und Vierbeinern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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unsicher auf seinen stakeligen Beinen hin und her, und seine weit geöffneten Augen drückten sanfte Neugier aus. Aber die ›saubere Arbeit‹, wie Mr. Bushell es genannt hatte, verbarg etwas, woran ich nicht zu denken wagte.
    Antibiotika waren damals noch nicht im allgemeinen Gebrauch, und so oder so, ich wußte, daß es für die Kuh keine Hoffnung gab. So war es nur eine Geste, als ich dem Bauern etwas Schwefelpuder daließ, den er ihr dreimal täglich geben sollte. Dann verließ ich die Farm so schnell ich konnte.
    Wir fuhren schweigend davon. Nach zwei Kurven hielt ich unter einem Baum an und ließ den Kopf auf das Lenkrad sinken.
    »O Gott«, stöhnte ich. »Verdammt, verdammt!«
    Norman antwortete nur mit einem langen Seufzer, und ich fuhr fort: »Haben Sie schon mal ein solches Schauspiel erlebt? All das Stroh und der Schmutz und der Mageninhalt im Bauch der armen Kuh. Wissen Sie, was ich zum Schluß gedacht habe? Ich habe mich an den uralten Witz von dem Chirurgen erinnert, der bei einer Operation seinen Hut in der Bauchhöhle des Patienten vergessen hat. Das hier war genauso schlimm.«
    »Ich weiß.« Der Student sprach mit gepreßter Stimme. »Und alles war meine Schuld.«
    »O nein, das war es nicht«, antwortete ich. »Ich habe selbst genügend Fehler gemacht und habe meinen Ärger an Ihnen ausgelassen, als ich in Panik geriet. Ich hab Sie angebrüllt und runtergemacht – ich muß mich bei Ihnen entschuldigen.«
    »O nein, nein...«
    »Doch, ich entschuldige mich. Ich bin schließlich ein erfahrener Tierarzt, und ich habe fast alles verkehrt gemacht.« Ich stöhnte wieder. »Und darüber hinaus habe ich mich Ihnen gegenüber wie ein Scheißkerl benommen. Es tut mir ehrlich leid.«
    »Das haben Sie nicht, wirklich nicht... Ich...«
    »Wie dem auch sei, Norman«, unterbrach ich ihn. »Ich möchte Ihnen danken. Sie waren mir eine große Hilfe. Sie haben gearbeitet wie ein Pferd, ohne Sie wäre ich nicht zurechtgekommen. Und jetzt lassen Sie uns etwas trinken gehen.«
    Die Sonne ging unter, als wir die alte Dorfschenke betraten und uns einen großen Krug Bier bestellten. Wir waren beide erhitzt und müde, und es gab eigentlich auch nichts mehr zu sagen.
    Norman brach schließlich das Schweigen. »Glauben Sie, daß die Kuh eine Chance hat?«
    Ich betrachtete einen Augenblick lang die Schnitte und Stiche an meinen Fingern. »Nein, Norman. Sie bekommt mit Sicherheit eine Bauchhöhlenentzündung, und ich bin ziemlich überzeugt, daß ich ein ganz schönes Loch in ihrem Uterus offen gelassen habe.« Mich schauderte, und ich schlug die Hand vor die Augen.
    Ich war überzeugt, daß ich Bella lebendig nie wiedersehen würde. Aber am nächsten Morgen nahm ich als erstes den Telefonhörer ab, um mich nach ihr zu erkundigen.
    Es dauerte lange, bis Mr. Bushell antwortete.
    »Ah, Sie sind’s, Herr Doktor. Ja, der Kuh geht’s gut. Sie frißt gerade.« Es klang, als fände er das mehr oder weniger selbstverständlich.
    Es dauerte Sekunden, ehe ich begriff, was er gesagt hatte.
    »Sieht sie teilnahmslos aus? Oder so, als ob sie Schmerzen hat?« fragte ich mit heiserer Stimme.
    »Nein, nein, sie sieht fröhlich aus wie ’ne Grille. Hat einen ganzen Batzen Heu gefressen und ein paar Gallonen Milch gegeben.«
    Mir war, als träumte ich, denn jetzt fragte er: »Wann nehmen Sie denn die Fäden raus?«
    »Die Fäden? Ach so, ja.« Ich gab mir einen Ruck. »In vierzehn Tagen, Mr. Bushell, spätestens in vierzehn Tagen.«
    Nach den Schrecken des ersten Besuches war ich froh, Norman bei mir zu haben, als ich die Fäden zog. Es war keine Schwellung zu sehen um die Wunde, und Bella kaute selig ihr Heu, als ich an ihrem Bauch herumschnippelte. In einem Pferch nahe bei ihr kapriolte das Kalb herum und streckte alle vier Beine in die Luft.
    Ich konnte es mir nicht verkneifen zu fragen: »Hat sie überhaupt keine Beschwerden gehabt, Mr. Bushell?«
    »Nein.« Der Bauer schüttelte langsam den Kopf. »Sie war die ganze Zeit über völlig normal. Als wäre nichts gewesen.«
    Das war mein erster Kaiserschnitt. Über die Jahre hin sollte Bella noch acht weitere Kälber bekommen, ohne Kaiserschnitt, ganz normal und ohne jede Hilfe – ein Wunder, das ich immer noch kaum glauben kann.
    Aber das wußten Norman und ich damals noch nicht. Wir waren nur stolz – und froh, daß es noch einmal gutgegangen war.
    Als wir wegfuhren, blickte ich in das lächelnde Gesicht meines jungen Praktikanten.
    »Na, Norman«, sagte ich. »So sieht es aus in der

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