Von Zweibeinern und Vierbeinern
Praxis eines Tierarztes! Sie haben den Schrecken mitbekommen, aber auch eine wunderbare Überraschung erlebt. Ich habe oft davon reden hören, daß die Bauchhöhle tragender Tiere besonders widerstandsfähig sei, und Gott sei Dank ist das tatsächlich der Fall.«
»Die ganze Sache ist unfaßbar, nicht wahr?« erklärte er mit einem träumerischen Lächeln. »Ich kann nicht beschreiben, was ich fühle. Mein Kopf schwirrt von Zitaten wie: ›Wo Leben ist, ist Hoffnung.‹«
»Ja, stimmt«, sagte ich. »Das hat John Gay in ›Der kranke Mann und der Engel‹ gesagt, nicht?«
Norman klatschte in die Hände. »Oh, Sie sind wirklich unschlagbar!«
»Lassen Sie mal sehen.« Ich dachte einen Augenblick nach. »Wie ist es mit: ›Doch war’s ein großer Sieg‹?«
»Ausgezeichnet«, erwiderte der junge Mann. »Robert Southey, in seinem Gedicht ›Die Schlacht von Blenheim‹.«
Ich nickte. »Richtig.«
»Hier habe ich noch eins«, sagte der Student. »›Aus der Nessel Gefahr pflücken wir die Blume Sicherheit.‹«
»Glänzend, glänzend«, erwiderte ich. »Shakespeare, Heinrich der Fünfte.«
»Nein, Heinrich der Vierte.«
Ich öffnete schon den Mund und wollte widersprechen, aber Norman winkte selbstsicher ab. »Zwecklos zu protestieren. Ich weiß genau, daß ich recht habe. Und diesmal weiß ich, wovon ich spreche.«
Kapitel 7
Die Vorstellung, man könnte ein Tier töten, gehört zu den Ängsten eines jeden Tierarztes. Ich spreche nicht von Einschläfern, das oft eine Erlösung ist, sondern vom Töten aus Unachtsamkeit, aus Versehen, beim Versuch der Heilung.
Sicher ist es vielen von uns schon einmal passiert, und wahrscheinlich auch mir selbst. Ich bin mir in keinem Fall wirklich ganz sicher, aber die Erinnerung daran quält mich noch.
Eines Tages kam ein junger Vertreter einer Arzneimittelfirma in die Praxis und bot ein neues Wundermittel gegen die Fußfäule bei Rindern an.
Die Fußfäule war damals eine rechte Plage. Sie war eine seit Jahrhunderten bekannte Krankheit, die auftrat, wenn sich bei Paarzehern in dem Raum zwischen den beiden Hufzehen der Bazillus Fusiformis necrophorus festsetzte, was bei kleinen Wunden oder Abschürfungen leicht geschehen konnte.
Die Fußfäule führte dann zum Absterben eines Teils des Gewebes in diesem Bereich, das betroffene Bein schwoll an, und das Tier lahmte stark. Bei einer guten Milchkuh ging, allein durch die Schmerzen, der Milchertrag beträchtlich zurück. Der mittelalterlich klingende Name rührte offenkundig von dem äußerst widerwärtigen Geruch her, den das abgestorbene Gewebe ausströmte.
Die Behandlung, die wir gewöhnlich anwandten, war langwierig und kühn. Den Hinterfuß einer Kuh zu heben, sollte man tunlichst vermeiden. Ich war immer dankbar, wenn es der Vorderfuß war, der infiziert war. Beim Hinterfuß war schon das Bepinseln mit einem Antiseptikum eine schwierige Aufgabe. Wenn das nicht half, legten wir mit Ätzmitteln, wie Kupfersulfat, getränkte Wattebäusche auf die infizierten Stellen und verbanden den Fuß, und eine unter den Bauern sehr verbreitete Behandlungsmethode bestand darin, daß man die Wunde mit Schwedenteer und Salz bestrich, eine schmutzige und unangenehme Arbeit, da einem dabei ständig die Füße der Kuh um den Kopf flogen.
So konnte ich es kaum glauben, als der Vertreter behauptete, eine Injektion von M & B 693 in die Vene des kranken Tieres behebe den Zustand sofort oder doch sehr schnell.
Ich lachte den jungen Mann sogar aus. »Ich weiß, daß Leute wie Sie sich ihr Geld verdienen müssen«, sagte ich. »Aber das klingt mir nun doch ein bißchen zu phantastisch.«
»Es wirkt, ich sage es Ihnen«, sagte er. »Es ist lange getestet worden, und es hält, was es verspricht, ehrlich.«
»Und man braucht den Fuß überhaupt nicht anzufassen?«
»Nein – nur um die Diagnose zu stellen. Dann können Sie ihn vergessen.«
»Und wie lange dauert es, bis die Wirkung eintritt?«
»Nur ein paar Tage. Und ich gebe Ihnen mein Wort darauf, daß es der Kuh manchmal schon innerhalb von vierundzwanzig Stunden sehr viel besser geht.«
Das klang wie ein schöner Traum. »Gut«, sagte ich, »schicken Sie mir etwas von dem Teufelszeug. Wir werden es ausprobieren.«
Er machte sich eine Notiz auf seinem Block und sah mich dann mit ernsten Augen an. »Sie müssen nur eines beachten: dieses Medikament ist ein starkes Reizmittel, Sie dürfen es deshalb nicht subkutan spritzen, sonst könnte es einen Abszeß verursachen.«
Als er zur
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