Von Zweibeinern und Vierbeinern
immer noch unbewegten Rippen anstarrte, schrie er: »Weiter, Daddy, weiter.« Und er brauchte nicht länger als ein paar Sekunden zu warten, bis Venus wieder wie ein Vogel durch die Lüfte sauste.
Es übertraf alle seine Erwartungen. Er hatte sich wahrscheinlich schon geärgert, daß er für nichts und wieder nichts sein Marmeladenbrot im Stich gelassen hatte. Jetzt kam er voll auf seine Kosten. Bis auf den heutigen Tag ist mir die Szene noch gegenwärtig: meine Anspannung, die Angst, daß mein Patient womöglich ohne jeden Grund starb – und im Hintergrund das unbekümmerte Gelächter meines Sohnes.
Ich weiß nicht mehr, wie oft ich anhielt und den schlaffen Körper ins Gras legte, untersuchte und gleich darauf wieder herumwirbelte, bis Venus bei einer dieser Pausen die Brust hob und mit den Augen blinzelte.
Mit einem Seufzer der Erleichterung ließ ich mich auf den kühlen Rasen fallen und beobachtete durch die grünen Grashalme hindurch, wie das Atmen regelmäßiger wurde und Venus sich die Schnauze leckte und um sich blickte.
Ich wagte noch nicht gleich aufzustehen, denn die alte Gartenmauer drehte sich noch immer vor meinen Augen und ich hatte Angst, ich würde zu Boden stürzen.
Jimmy war enttäuscht. »Machst du jetzt nicht mehr weiter, Daddy?«
»Nein, mein Sohn, nein.« Ich setzte mich auf und zog Venus auf meinen Schoß. »Jetzt ist alles vorbei, Venus.«
»Das war aber komisch. Warum hast du das getan?«
»Damit der Hund wieder atmet.«
»Machst du das immer so, wenn sie wieder atmen sollen?«
»Nein, zum Glück ist das nicht oft nötig.« Ich kam langsam auf die Füße und trug das kleine Tier in den Behandlungsraum zurück.
Als Josh Anderson kam, sah sein kleiner Liebling fast wieder normal aus.
»Sie ist noch ein bißchen benommen von der Betäubung«, sagte ich. »Aber das wird nicht lange dauern.«
»Oh, großartig! Und der verdammte Knochen, ist er...?«
»Alles raus, Mr. Anderson.«
Er wich zurück, als ich die Schnauze öffnete. »Sehen Sie?« sagte ich. »Nichts mehr drin.«
Er lächelte glücklich. »Haben Sie irgendwelche Sorgen mit ihr gehabt?«
Meine Eltern hatten mich gelehrt, lieber ehrlich zu sein als klug, und fast hätte ich die ganze Geschichte erzählt. Aber warum sollte ich dem empfindlichen kleinen Mann Kummer machen? Wenn ich ihm erzählte, daß sein Hund eine ganze Zeitlang fast tot gewesen war, würde das nur seine Freude trüben und ihm sein Vertrauen zu mir nehmen.
Ich schluckte. »Nein, nein, Mr. Anderson. Es war eine harmlose kleine Operation.« Obwohl es so etwas wie eine Notlüge war, erstickte ich fast daran.
»Schön, schön. Ich bin Ihnen sehr dankbar, Mr. Herriot.« Er beugte sich über den Hund, nahm eine Haarsträhne und zwirbelte sie zwischen Zeigefinger und Daumen.
»Bist du durch die Luft geflogen, mein Hündchen?« murmelte er vor sich hin.
Ich spürte ein Prickeln im Nacken. »Wie... wie kommen Sie darauf?«
Er sah mich mit großen Augen an. »Oh, ich stelle mir vor, sie denkt, sie wäre geflogen, als sie schlief. Ich weiß nicht, warum. Es war nur so ein komisches Gefühl.«
»Ach so, ja, nun... Also gut.« Ich hatte selbst ein komisches Gefühl. »Jetzt nehmen Sie Ihr Hündchen mit nach Hause und lassen Sie es heute ganz in Ruhe.«
Nachdenklich trank ich meinen Tee zu Ende. Fliegen... fliegen.
Vierzehn Tage später saß ich wieder auf Joshs Friseurstuhl. Zu meiner Beunruhigung fing er diesmal gleich mit der schrecklichen Haarschneidemaschine an, während er sonst immer erst mit der Schere das Terrain vorbereitete.
Ich versuchte, den Schmerz nicht zu beachten, indem ich, mit einer Spur Hysterie in der Stimme, mit ihm zu plaudern begann.
»Wie geht es – au! – Venus?«
»Oh, gut, gut.« Er lächelte mich freundlich im Spiegel an. »Man hat ihr nichts mehr danach angemerkt.«
»Nun – oh! –, ich habe auch nicht mit Schwierigkeiten gerechnet, es war – au! – nur eine Belanglosigkeit.«
Der Friseur riß mit seinem unnachahmlichen Dreh eine Strähne nach der anderen aus. »Es ist schon eine gute Sache, daß man Vertrauen zu Tierärzten wie Ihnen haben kann, Mr. Herriot. Ich wußte, daß mein kleiner Liebling in guten Händen war.«
»Vielen Dank, Mr. Anderson, es ist – au! – sehr nett, so etwas zu hören.« Ich freute mich, aber das Schuldgefühl war immer noch da.
Ich hatte keine Lust mehr zu sprechen. Ich betrachtete meine verzerrten Züge im Spiegel und versuchte, mich auf etwas anderes zu konzentrieren – ein Trick,
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