Von Zweibeinern und Vierbeinern
den ich mir beim Zahnarzt angewöhnt hatte. Während der Friseur weiter an meinem Haar herumzerrte, dachte ich so konzentriert wie möglich an meinen Garten.
Der Rasen mußte endlich wieder gemäht werden, und ich mußte auch allerlei Unkraut jäten, sobald ich mal ein paar freie Stunden hatte. Ich überlegte gerade, ob es schon Zeit war, die Tomaten zu düngen, als Josh die Haarschneidemaschine weglegte und die Schere ergriff.
Ich seufzte erleichtert auf. Das Nachspiel, das jetzt kam, war nicht mehr so unangenehm, und wer weiß, vielleicht hatte er ja sogar die Schere seit dem letzten Mal schärfen lassen. Meine Gedanken kreisten wieder um das Problem der Tomatendüngung, als die Stimme des Friseurs mich in die Wirklichkeit zurückholte.
»Mr. Herriot.« Er zwirbelte eine Haarsträhne zwischen Zeigefinger und Daumen. »Ich arbeite auch gern im Garten.«
Ich sprang fast vom Stuhl hoch. »Seltsam. Eben gerade habe ich an meinen Garten gedacht.«
»Ja, ich weiß.« Sein Blick war ins Weite gerichtet, während er ein paar Haare zwischen Zeigefinger und Daumen hin- und herdrehte. »Es kommt durchs Haar, verstehen Sie?«
»Was?«
»Ihre Gedanken. Sie übertragen sich auf mich.«
»Das ist doch nicht möglich!«
»Doch, denken Sie mal darüber nach. Die Haare gehen bis in den Kopf hinein, und dort fangen sie etwas von Ihrem Gehirn auf, was sie senden und was ich empfange.«
»Also wirklich, Sie wollen sich wohl über mich lustig machen.« Ich lachte, aber es war ein ziemlich hohles Lachen.
Josh schüttelte den Kopf. »Ich scherze nicht, Mr. Herriot. Ich spiele dieses Spiel nun schon seit beinahe vierzig Jahren. Sie wären sprachlos, wenn ich Ihnen erzählte, was für Gedanken da so zum Vorschein kommen. Ich kann sie gar nicht wiederholen. Ich sage Ihnen, wenn Sie wüßten...«
Ich sank immer tiefer. Und ich wußte nichts mehr zu sagen. Das Ganze war natürlich völliger Unsinn, versuchte ich mir später einzureden, aber ich nahm mir trotzdem fest vor, beim Haarschneiden in Zukunft stets meine Gedanken im Zaum zu halten.
Kapitel 10
»Das ist Amber«, sagte Schwester Rose. »Deretwegen ich Sie hergebeten habe.«
Ich betrachtete die blasse, fast honigfarbene Tönung des Haars an den Ohren und den Flanken des Hundes. »Ich sehe, warum Sie ihr diesen Namen gegeben haben. Ich wette, sie leuchtet richtig, wenn die Sonne scheint.«
Die Krankenschwester lachte. »Ja, die Sonne schien wirklich, als ich sie zum erstenmal sah, und der Name kam mir ganz von allein in den Sinn.« Sie sah mich verschmitzt an. »Ich bin gut im Erfinden von Namen, wie Sie wissen.«
»O ja, ohne Zweifel«, sagte ich lächelnd. Es war ein kleiner Scherz zwischen uns. Schwester Rose mußte schon gut sein bei der Namensfindung für den endlosen Strom ungewünschter Tiere, der durch das kleine Hundeasyl hinter ihrem Haus ging. Sie leitete das Asyl und hielt es in Gang, indem sie kleine Ausstellungen veranstaltete und Trödel verkaufte und – indem sie ihr eigenes Geld hineinsteckte.
Und sie gab nicht nur ihr Geld, sondern auch ihre kostbare Zeit, denn als Krankenschwester hatte sie übergenug mit dem Dienst an der menschlichen Rasse zu tun. Ich fragte mich oft, woher sie die Zeit nahm, auch noch für die Tiere zu kämpfen. Es war mir ein Rätsel, und ich bewunderte sie.
»Woher kommt sie denn?« fragte ich.
Schwester Rose zuckte mit den Schultern. »Oh, jemand hat sie gefunden, als sie in den Straßen von Hebbleton herumstreunte. Niemand kennt sie, auch bei der Polizei liegt keine Verlustmeldung vor. Offenkundig ist sie ausgesetzt worden.«
Ich fühlte, wie der Zorn mir die Kehle zuschnürte. »Wie kann man einem so schönen Tier so etwas antun. Es einfach wegjagen und sich selbst überlassen.«
»Oh, solche Leute haben manchmal die erstaunlichsten Gründe. In diesem Fall liegt es, glaube ich, daran, daß Amber eine kleine Hautgeschichte hat. Vielleicht hatten sie Angst davor.«
»Sie hätten sie wenigstens zu einem Tierarzt bringen können«, brummte ich und öffnete die Tür der Box.
Ich bemerkte ein paar nackte Stellen um die Pfoten herum, und als ich mich hinkniete, um sie zu untersuchen, beschnupperte Amber meine Wange und wedelte mit dem Schwanz. Ich sah sie mir an, die Schlappohren, die vorstehende Schnauze, die vertrauensvollen Augen, die so verraten worden waren.
»Der Kopf ist von einem Jagdhund«, sagte ich. »Aber das übrige? Was meinen Sie?«
Schwester Rose lachte. »Oh, sie ist mir ein Rätsel. Ich habe eine Menge
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