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Von Zweibeinern und Vierbeinern

Von Zweibeinern und Vierbeinern

Titel: Von Zweibeinern und Vierbeinern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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weitermachen.«
    »Also gut. Ich gehe solange zu meinem Bruder.«
    »Wunderbar.« Ich wartete, bis ich die Haustür hinter ihm zufallen hörte, und machte schnell die Spritze zurecht.
    Hunde stellen sich nicht so an, wenn ihre Besitzer nicht anwesend sind. So konnte ich Venus ohne Schwierigkeiten vom Fußboden auf den Behandlungstisch heben. Aber sie hatte immer noch die Kiefer fest zusammengepreßt und bleckte die Zähne.
    »Ist ja gut, Venus, ganz wie du willst«, sagte ich. Ich griff nach ihrem Bein, schnitt ein paar Haare weg und band die Vene ab. Damals mußten Siegfried und ich alle Betäubungen meist ohne jede Hilfe machen. Es ist erstaunlich, was man alles kann, wenn es nötig ist.
    Venus schien es gleichgültig zu sein, was ich machte, solange ich von ihrem Gesicht wegblieb. Ich stieß die Nadel in die Vene, drückte auf den Kolben, und innerhalb von Sekunden entspannte sie sich, und ihr Kopf und ihr ganzer Körper sanken auf den Behandlungstisch. Ich rollte sie auf die Seite. Sie schlief fest.
    »Jetzt ist es nicht mehr schwierig, Jimmy«, sagte ich zu meinem Sohn. Mühelos schob ich mit Daumen und Zeigefinger die Zähne auseinander, griff den Knochen mit der Pinzette und zog ihn aus der Schnauze. »Nichts mehr drin, prima. Alles in Ordnung.«
    Ich ließ den Knochen in den Abfallbehälter fallen. »Ja, so muß man es machen, mein Junge. Keine lächerliche Balgerei. So macht es der erfahrene Tierarzt.«
    Mein Sohn nickte ernst. Es war wieder langweilig jetzt. Er hatte auf große Dinge gehofft, als Mr. Anderson der Länge nach zu Boden gefallen war, aber das hier war lahm und konnte ihm nicht einmal mehr ein Lächeln abnötigen.
    Aber auch mein eigenes zufriedenes Lächeln gefror, als ich plötzlich sah, daß Venus nicht mehr atmete. Ich versuchte, das plötzliche Schlingern meines Magens zu ignorieren, denn ich bin immer ein nervöser Anästhesist gewesen. Noch heute habe ich die Angewohnheit, wenn einer meiner jüngeren Kollegen operiert, meine Hand auf die Brust des Patienten zu legen, dort, wo das Herz ist, und ein paar Sekunden mit weit aufgerissenen Augen wie erstarrt dazustehen. Ich weiß, daß die jungen Kollegen es hassen, wenn ich auf solche Art Beunruhigung und Verzweiflung verbreite, und eines Tages hat man mich sogar in scharfem Ton gebeten, den Raum zu verlassen. Aber ich kann es nun einmal nicht ändern.
    Während ich Venus beobachtete, sagte ich mir wie immer, daß keine Gefahr bestand. Sie hatte die richtige Dosis bekommen, und im übrigen gab es bei Pentothal oft einen kürzeren Atemstillstand. Es war alles normal, und trotzdem wünschte ich sehnlichst, der Hund würde wieder anfangen zu atmen.
    Das Herz schlug regelmäßig. Ich preßte ein paarmal die Rippen zusammen – nichts. Ich berührte den ins Blinde starrenden Augapfel, kein Kornesreflex. Ich trommelte mit den Fingern auf den Tisch und sah das kleine Tier prüfend an. Jimmy beobachtete mich erwartungsvoll. Sein Interesse für die Tiermedizin rührte in erster Linie von seiner Liebe zu Tieren her, aber es kam noch etwas anderes hinzu: er wußte nie, wann sein Vater etwas Komisches tat oder wann ihm etwas Komisches passierte.
    Die unvorhersehbaren Mißgeschicke bei der täglichen Arbeit waren für Jimmy immer etwas zum Lachen, und er hatte deutlich das Gefühl, daß wieder etwas Komisches bevorstand.
    Seine Ahnung erfüllte sich, als ich Venus plötzlich mit beiden Händen ergriff, sie ein paarmal erfolglos über meinem Kopf schüttelte und dann im Laufschritt mit ihr durch den Flur stürmte. Ich hörte die trippelnden kleinen Schritte meines Sohnes dicht hinter mir.
    Ich stieß die Seitentür auf und stürzte in den Garten, blieb in dem schmalen Teil neben dem Haus stehen – nein, hier war nicht genug Platz – und rannte weiter auf den Rasen zu.
    Dort legte ich den kleinen Hund ins Gras und kniete mich neben ihn, in der Haltung eines Betenden. Ich wartete und beobachtete ihn mit hämmerndem Herzen, aber seine Rippen bewegten sich nicht, und seine Augen starrten weiter blicklos ins Leere.
    Oh, das konnte doch nicht sein! Ich packte den Hund bei den Hinterbeinen und wirbelte ihn um meinen Kopf herum, mal höher, mal tiefer, mit all meiner Kraft, so daß ich eine bemerkenswerte Geschwindigkeit erreichte. Diese Wiederbelebungsmethode scheint heute aus der Mode gekommen zu sein – damals war sie sehr gebräuchlich. Jedenfalls fand sie die volle Zustimmung meines Sohnes, der vor lauter Lachen ins Gras plumpste.
    Als ich anhielt und die

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