Von Zweibeinern und Vierbeinern
nahe.
»Jetzt beruhigen Sie sich«, sagte ich energisch. »Ich glaube nicht, daß sie erstickt. Übrigens ist sie dauernd mit ihrer Pfote zu Gange. Ich nehme an, ihr ist etwas in der Schnauze steckengeblieben.«
Ich griff dem kleinen Tier mit Finger und Daumen zwischen die Kiefer und drückte sie auseinander. Und zu meiner großen Erleichterung erblickte ich etwas, was allen Tierärzten vertraut ist: einen langen spitzen Knochen, der sich zwischen den Backenzähnen festgeklemmt hatte und wie ein Querbalken hinten im Gaumen saß.
Wie gesagt, so etwas kommt häufig vor, und es ist eine harmlose Sache, die ein erfahrener Tierarzt mühelos mit Hilfe einer Pinzette beheben kann. Der Erfolg stellt sich sofort ein, man braucht ein wenig Geschicklichkeit, nicht mehr, und der Ruhm ist groß. Ich liebte solche Fälle.
Ich legte dem Friseur die Hand auf die Schulter. »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Mr. Anderson, es ist nur ein Knochen, der zwischen den Backenzähnen steckt. Kommen Sie mit in das Behandlungszimmer, ich werde ihn im Nu beseitigen.«
Er sah mich erleichtert an, während wir durch den Flur ins Behandlungszimmer gingen. »Oh, Gott sei Dank, Mr. Herriot. Ich dachte schon, es sei vorbei mit ihr, wirklich. Wo wir uns so an das kleine Hündchen gewöhnt haben. Ich könnte es nicht ertragen, meine Venus zu verlieren.«
Ich lachte, setzte den Hund auf den Behandlungstisch und griff nach einer kräftigen Pinzette. »Kein Problem, ich versichere es Ihnen. Es dauert nur eine Minute.«
Jimmy, inzwischen fünf Jahre alt, war hinter uns hergekommen und beobachtete mit halbem Interesse, wie ich das Instrument in der Schwebe hielt. Trotz seiner jungen Jahre hatte auch er so etwas schon häufig gesehen, und es war nicht mehr aufregend für ihn. Aber man konnte ja nie wissen... Es lohnte sich schon, einen Blick zu riskieren, denn manchmal passierten komische Dinge. Er steckte die Hände in die Taschen, wippte auf den Sohlen hin und her und pfiff vor sich hin.
Gewöhnlich braucht man nur die Schnauze zu öffnen, den Knochen mit der Pinzette zu greifen und ihn herauszuziehen. Aber Venus wich vor dem glänzenden Metall zurück, und der Friseur ebenfalls. Die Angst in den Augen des Hundes spiegelte sich viermal so stark in denen des Besitzers.
Ich versuchte, beide zu beruhigen. »Es ist nicht schlimm, Mr. Anderson. Ich werde Ihrem Hündchen nicht weh tun. Sie brauchen nur einen Moment seinen Kopf festzuhalten.«
Der kleine Mann holte tief Luft, packte den Hund im Nacken, preßte die Augen zu und wandte sich so weit ab, wie er nur konnte.
»Und jetzt, kleine Venus«, gurrte ich, »mache ich dich wieder gesund.«
Offenbar glaubte Venus mir nicht. Sie zappelte heftig und schlug mit der Pfote nach meiner Hand, während ihr Besitzer seltsame stöhnende Laute von sich gab. Als ich die Pinzette endlich in ihrer Schnauze hatte, klappte sie die Zähne zusammen und biß fest auf das Instrument. Und als ich begann, mit ihr zu rangeln, konnte Mr. Anderson es nicht mehr aushalten und ließ den Kopf los.
Der kleine Hund sprang auf den Fußboden und nahm dort seinen Kampf wieder auf. Jimmy schaute gebannt zu.
Mehr sorgenvoll als ärgerlich sah ich den Friseur an. Er hatte eine ungeschickte Hand, wie seine Haarschneidekünste bewiesen, und er schien unfähig, einen zappelnden Hund festzuhalten.
»Versuchen wir es anders«, sagte ich fröhlich. »Wir machen es auf dem Fußboden. Vielleicht hat sie Angst vor dem Tisch. Es ist nur eine harmlose kleine Sache, wirklich.«
Mit zusammengebissenen Zähnen und zusammengekniffenen Augen beugte sich Mr. Anderson vor und streckte seine zitternden Hände nach seinem Hund aus. Aber jedesmal, wenn er ihn berührte, rutschte er von ihm weg, bis der Friseur schließlich mit einem Seufzer kopfüber auf den Fliesenboden fiel. Jimmy kicherte.
Ich half dem Friseur wieder auf die Füße. »Ich will Ihnen etwas sagen, Mr. Anderson. Ich gebe Ihrem Hündchen eine kleine Betäubungsspritze. Dann hört der Zirkus hier auf.«
Josh erbleichte. »Eine Spritze? Sie wollen sie betäuben?« Angst flackerte in seinen Augen auf. »Wird sie das überstehen?«
»Natürlich. Lassen Sie sie nur bei mir und kommen Sie in einer Stunde wieder. Dann ist sie wieder so weit, daß sie laufen kann.« Ich drängte ihn durch die Tür in den Flur hinaus.
Er warf einen mitleidigen Blick auf seinen Liebling. »Ist es auch wirklich das richtige?«
»Ganz bestimmt. Wir regen sie nur auf, wenn wir so
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